das Logo der Anwaltskanzlei tww.law

Kein Personalgespräch während Krankschreibung

Urteil des BAG: Ein Arbeitnehmer muss nicht zu einem Personalgespräch erscheinen, wenn er arbeitsunfähig krankgeschrieben ist!
Krankheit Personalgespräch
© Picture-Factory - Fotolia.com

Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Inhalt des Beitrags

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich gestern mit der spannenden Frage auseinanderzusetzen, ob und wann ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei Krankheit zum Gespräch auffordern darf (BAG Urt. v. 02.11.2016 – 10 AZR 596/15). Ergebnis: Ist der Arbeitnehmer krankgeschrieben, muss er nur im Ausnahmefall persönlich zum Personalgespräch erscheinen.

Grundsätzlich keine Pflicht, zum Personalgespräch zu kommen

Ein Krankenhausmitarbeiter war für längere Zeit krankgeschrieben. Sein Arbeitgeber wollte ihn zum Gespräch an den Arbeitsplatz bitten, um gemeinsam zu besprechen, wie in Zukunft zusammengearbeitet werden könne. Drei Mal bestellte der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter zum Personalgespräch ein. Der Mitarbeiter erschien nicht und berief sich darauf, dass er während seiner Krankschreibung nicht verpflichtet sei, zum Arbeitsplatz zu kommen – auch nicht für ein Personalgespräch.

Das BAG hat dem Arbeitnehmer Recht gegeben. Es gelte der Grundsatz, dass Arbeitnehmer während ihrer Arbeitsunfähigkeit ihrer Arbeitspflicht nicht nachkommen müssten. Die Arbeitspflicht sei suspendiert. An einem Personalgespräch teilzunehmen, gehöre im weitesten Sinne zu den Arbeitspflichten.

Nur im Ausnahmefall persönliches Gespräch trotz Krankheit möglich

Nur betriebliche Interessen können es ausnahmsweise unverzichtbar machen, dass der Mitarbeiter im Betrieb erscheine. In solch einem Fall könne der Arbeitgeber verlangen, dass der Arbeitnehmer zum Personalgespräch komme.

Welche Gründe das sein könnten, lässt sich der Pressemitteilung des BAG noch nicht entnehmen. „Unverzichtbar“ scheint in dem Zusammenhang jedenfalls eine relativ hohe Hürde zu sein. Voraussetzung ist zudem, dass der Mitarbeiter gesundheitlich (trotz Krankheit) dazu in der Lage ist, am Arbeitsplatz zu erscheinen.

Telefonische und schriftliche Absprachen auch bei Krankheit möglich

Arbeitnehmer können sich während der Krankheit aber nicht völlig dem Zugriff des Arbeitgebers entziehen. Das BAG stellt klar, dass der Arbeitgeber durchaus Möglichkeiten habe, mit dem Mitarbeiter trotz Arbeitsunfähigkeit in Kontakt zu treten, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse bestehe.

Um ein gewisses Maß an Planungsmöglichkeiten zu haben, wird der Arbeitnehmer wohl ein berechtigtes Interesse daran haben, mit einem für längere Zeit erkrankten Mitarbeiter in Kontakt zu treten. Möglich bleibt, so das Gericht, dass ein Telefonat geführt wird oder konkrete Fragen schriftlich beantwortet werden.

Folgen für Betriebliches Eingliederungsmanagement

Interessant bleibt nach der Entscheidung weiterhin, wie mit einem Mitarbeiter ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt werden kann, der über längere Zeit arbeitsunfähig krank ist.

Ein BEM dient – ähnlich der Situation in dem BAG-Fall – dazu, gemeinsam nach Möglichkeiten zu suchen, wie das Arbeitsverhältnis oder der Arbeitsplatz nach der Rückkehr des Mitarbeiters gestaltet werden müssen, um weiterhin zusammenarbeiten zu können. Das BEM hat in der Praxis eine große Bedeutung. Ohne ein BEM ist es fast unmöglich, eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung zu erklären, weil sich die Darlegungslast im Prozess erheblich zu Lasten des kündigenden Arbeitgebers verschiebt. Aber was, wenn sich ein Mitarbeiter einem BEM immer wieder entzieht, indem er sich auf seine Arbeitsunfähigkeit beruft?

Keine klaren Regeln für BEM

Es gibt keine klaren Regelungen, ab wann der Arbeitgeber in einer solchen Situation das BEM als gescheitert ansehen kann. Ein BEM muss keinen festgelegten Formvorgaben entsprechen und kann sicherlich auch telefonisch oder gar schriftlich erfolgen. Diese Möglichkeiten bleiben dem Arbeitgeber auch nach dem aktuellen BAG-Urteil ausdrücklich offen.

Ob mit einem Telefonat oder Briefwechsel allerdings eine konstruktive Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die weitere Zusammenarbeit möglich ist, wird stark von den jeweiligen Protagonisten und deren Verhältnis zueinander abhängen. Ist die Atmosphäre zwischen den Beteiligten verkühlt, wäre ein persönliches, ggf. mit professioneller Unterstützung vorbereitetes Gespräch häufig die bessere Wahl. Sonst besteht die Gefahr, dass das BEM als notwendiges Übel angesehen wird, das vor Ausspruch einer Kündigung noch eben durchgeführt werden muss – und nicht als sinnvolles Instrument der Personalarbeit.

Seit gestern ist jedenfalls klar: Erzwungen werden kann das persönliche Gespräch nicht.   

Weitere Beiträge