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GmbH-Geschäftsführer und die Sozialversicherung – Teil 2

Wenn der Geschäftsführer verhindern kann, dass ihm die Gesellschafterversammlung unliebsame Weisungen erteilt, unterliegt er grundsätzlich...

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Inhalt des Beitrags

Im ersten Teil dieses Beitrags haben wir die Kriterien herausgearbeitet, die die Rechtsprechung für die Zuordnung eines GmbH-Geschäftsführers zur Gruppe der Selbständigen oder abhängig Beschäftigten heranzieht. Nun wollen wir anhand konkreter Fallgruppen verdeutlichen, wie sich die Frage für den Rechtsanwender darstellt.

Zusammengefasst: Die zahlreichen Kriterien, die die Rechtsprechung heranzieht, erlauben nur selten eine trennscharfe Zuordnung. In der Praxis der Gerichte läuft es deshalb eigentlich immer auf die Frage hinaus, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer Weisungen der Gesellschafterversammlung an ihn aufgrund seiner rechtlichen Position verhindern kann. Wenn er das kann, wird er nicht als weisungsgebunden anzusehen sein, wenn er es nicht kann, ist er weisungsgebunden und sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Ein Überblick über die Fallgruppen:

a) Alleingesellschafter

Gibt es nur einen Gesellschafter, der auch gleichzeitig Geschäftsführer ist, stellt sich die Frage offensichtlich nicht. Wessen Willen soll er ausgesetzt sein, wenn nicht seinem eigenen? Der Alleingesellschafter ist nicht weisungsgebunden und damit auch nicht sozialversicherungspflichtig.

b) Mehrheitsgesellschafter

Gibt es mehrere Gesellschafter, von denen einer die Mehrheit der Stimmanteile hält, wird man meistens davon ausgehen können, dass dieser Gesellschafter die Entscheidungen der Gesellschaft maßgeblich bestimmen kann. Der Mehrheitsgesellschafter ist deshalb im Regelfall nicht sozialversicherungspflichtig. Sofern die Satzung der GmbH nämlich nichts Abweichendes regelt, werden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst. Der Gesellschafter, der mehr als 50% der Stimmen hält, kann jederzeit Entscheidungen der anderen Gesellschafter verhindern, wenn sie ihm nicht passen. Er kann also aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung jegliche Weisung an ihn als Geschäftsführer unterbinden.

Das Gleiche gilt auch für den Gesellschafter, der genau 50% der Stimmen hält, weil der oder die übrigen Gesellschafter eine Mehrheitsentscheidung niemals ohne ihn treffen können. Tuen sie sich zusammen, kommen sie allenfalls auf 50%, was für eine Mehrheitsentscheidung nicht ausreicht.

Zum weisungsfreien Mehrheitsgesellschafter muss auch der Erwerber von entsprechenden Gesellschaftsanteilen zählen, sobald die Anteile wirksam auf ihn übertragen wurden. Und zwar auch dann, wenn die aktualisierte Gesellschafterliste noch nicht zum Handelsregister gereicht wurde. § 16 Abs. 1 GmbHG steht dem nicht entgegen. Die Norm besagt, dass ein Erwerber gegenüber der Gesellschaft erst dann als Gesellschafter anzusehen ist, wenn die aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister gereicht wurde. Im Klartext heißt das, dass der Erwerber seine Rechte als Gesellschafter, dazu gehört auch das Stimmrecht, erst dann ausüben darf. Auf den ersten Blick erscheint es nachvollziehbar, in einem solchen Fall anzunehmen, dass der Erwerber erst nach Eingang der Gesellschafterliste die Geschicke der Gesellschaft beeinflussen und Weisungen gegen ihn als Geschäftsführer verhindern kann.

Der Gedanke muss aber noch einen Schritt weiter gedacht werden. Zwei Aspekte führen im Ergebnis dazu, dass auch zwischen rechtsgeschäftlichem Erwerb und Eintragung ins Handelsregister Weisungsfreiheit des Erwerbers besteht. Erstens: Aus § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG ergibt sich, dass der Erwerber eben nicht rechtlich daran gehindert ist, seine Gesellschafterrechte seinen Anteilen entsprechend auszuüben. Die Rechtshandlung ist hingegen nur schwebend unwirksam, solange die Gesellschafterliste nicht ins Handelsregister eingetragen ist. Wird sie unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung eingereicht, wird die Rechtshandlung rückwirkend wirksam. Es handelt sich also nur um einen vorübergehenden Schwebezustand. Für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung ist – wie das BSG gerne betont – eine gewisse Beständigkeit und Dauer erforderlich. Die Statusfrage soll eben nicht von Launen der Vertragspartner abhängig sein. Zweitens: Der Erwerber, wenn er auch gleichzeitig Geschäftsführer ist, kann diesen Schwebezustand jederzeit beenden. Er kann nämlich die Liste beim Handelsregister einreichen. Tut er das, steht der Ausübung seiner vollen Stimmrechte nichts mehr im Wege. Wenn das Abgrenzungskriterium die Antwort auf die Frage ist, ob der Geschäftsführer ihm unangenehme Entscheidungen der Gesellschafterversammlung abwenden kann, dann muss der Erwerber auch bis zur Eintragung ins Handelsregister weisungsfrei sein. Passt ihm eine Entscheidung der übrigen Gesellschafter nicht, kann er jederzeit die Liste zum Handelsregister reichen und damit seine Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung herstellen und die Entscheidung abwenden. Eine belastbare Rechtsprechung zu dieser Fallkonstellation gibt es, soweit ersichtlich, nicht. Wie sich in der Beratungspraxis gezeigt hat, scheint die Deutsche Rentenversicherung (noch) eine andere Tendenz zu haben.

c) Minderheitsgesellschafter

Ein Gesellschafter, der weniger als 50 % der Geschäftsanteile hält, wird grundsätzlich als weisungsgebunden anzusehen sein und unterliegt daher in der Regel der Sozialversicherungspflicht. Von diesem Grundsatz erkennt die Rechtsprechung aber wieder Ausnahmen an. Auch wenn das BSG wiederholt betont, dass gesellschaftsrechtliche und gesellschaftsvertragsrechtliche Gestaltungen wie die oben geschilderten Kriterien für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung nur indizielle Wirkung haben: Das BSG erkennt an, dass die Einordnung als weisungsgebunden oder weisungsfrei durchaus von Einzelheiten der vertraglichen Gestaltung beeinflusst werden kann. Wenn die rechtliche Position des Minderheitsgesellschafters ihm – obwohl er über weniger als 50% der Stimmanteile verfügt – die Möglichkeit verschafft, ihm unangenehme Entscheidungen der Gesellschafterversammlung jederzeit abzuwenden, geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer weisungsfrei ist.

Aus der Rechtsprechung des BSG lassen sich die folgenden Schlüsse für den Minderheitsgesellschafter ziehen:

(1) Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag

Wenn der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass ein Beschluss der Gesellschafterversammlung nicht die übliche einfache Mehrheit erfordert, sondern der geschäftsführende Minderheitsgesellschafter mit seinem Stimmrechtsanteil eine Entscheidung der Gesellschaftsversammlung verhindern kann, ist auch der Geschäftsführer mit weniger als 50% der Stimmrechtsanteile nicht als weisungsgebunden anzusehen.

(2) Vetorecht

Anders ist wohl ein Vetorecht zu beurteilen. Der Gesellschaftsvertrag kann eine Klausel enthalten, dass der Geschäftsführer Weisungen nicht befolgen muss, er also ein Vetorecht hat. Wenn er aber durch sein Stimmgewicht in der Gesellschafterversammlung Beschlüsse nicht verhindern kann, kann er auch nicht verhindern, dass der Gesellschaftsvertrag geändert und das Vetorecht abgeschafft wird. So wird das von der Rechtsprechung geforderte Maß an Beständigkeit für die Statusfrage nicht mehr erreicht.

Das gilt umso mehr, wenn das Vetorecht nicht im Gesellschaftsvertrag, sondern im Geschäftsführerdienstvertrag mit dem Geschäftsführer vereinbart wurde (BSG, Urt. v. 11.11.2015 – B12 KR 10/14 R).

(3) Stimmrechtsbindungsvertrag zwischen Gesellschaftern

Seit einer wegweisenden Entscheidung des BSG aus dem Jahr 2015 (BSG, Urt. v. 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R) ist nun höchstrichterlich geklärt, dass ein Vertrag zwischen den Gesellschaftern, mit dem sie sich darauf einigen, dass sie ihr Stimmrecht nur einheitlich oder in einer bestimmten Weise ausüben werden (Stimmrechtsbindungsvertrag), grundsätzlich nicht dazu geeignet, die Statusfrage zu beantworten. Solche Verträge sind gesellschaftsrechtlich prinzipiell möglich und bedürfen keiner bestimmten Form. Dem BSG reicht aber ein Stimmrechtsbindungsvertrag nicht aus, um einem eigentlich weisungsgebundenen Geschäftsführer weisungsfrei werden zu lassen.

Das Kernargument der Rechtsprechung ist wieder, dass eine solche Vereinbarung nicht von der erforderlichen Dauer sei. Das gilt jedenfalls, wenn der Vertrag mit Wirkung für die Zukunft wieder gekündigt werden kann – und zwar auch, wenn nur eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund möglich ist.

Das Gleiche gilt auch für einfach schriftliche Verträge zwischen zwei verheirateten Gesellschaftern, die dem Minderheitsgesellschafter mehr Stimmrechte einräumen, als ihm nach seinen Gesellschaftsanteilen zusteht (BSG, Urt. v. 11.11.2015 – B12 R 2/14 R). .

(4) Widerruflich erteilte Vollmacht

Dem BSG reicht auch eine Vollmacht des Mehrheitsgesellschafters nicht aus, die er dem Minderheitsgesellschafter erteilt. Gesellschaftsrechtlich ist es – in Grenzen – möglich, seine Stimmrechte auf einen anderen per rechtsgeschäftlicher Vollmacht zu übertragen. Allerdings gilt das Prinzip, dass die Stimmrechte mit den Gesellschaftsanteilen untrennbar verbunden sind. Die Stimmrechte können nicht dauerhaft von den Gesellschaftsanteilen getrennt und separat übertragen werden. Eine Vollmacht über die Stimmrechte kann deshalb nicht unwiderruflich erteilt werden, sonst ist sie unwirksam. Wenn sie aber nur widerruflich erteilt wird, greift wieder das Dogma des BSG, dass es an der erforderlichen Beständigkeit fehlt. Der Status soll nicht von den Launen der Vertragspartner abhängen.

III. Fazit

Wir können festhalten, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer weisungsfrei und damit sozialversicherungsfrei ist, wenn er aufgrund seiner rechtlichen Stellung in der Gesellschaft ihm unbequeme Gesellschafterbeschlüsse verhindern kann. Dieses Abgrenzungskriterium wird in der überwiegenden Zahl der Fälle ausreichen, um den Status zu bestimmen. Bei Minderheitsgesellschaftern ist die Lage im Einzelfall kompliziert und hängt ganz maßgeblich von einer sauberen und den Interessen angepassten vertraglichen Gestaltung ab. Wenn man danach noch nicht zu einem klaren Ergebnis gekommen ist, muss man sich auf die Einzelfallabwägung von allen relevanten Gesichtspunkten (Gestaltung des Dienstvertrages, der täglichen Arbeit, Unternehmerrisiko etc.) einlassen. Mit diesen Kriterien lässt sich aber in der Praxis keine belastbare Prognose anstellen, wie die Rentenversicherungsträger den Status beurteilen werden. Nicht selten weicht die Entscheidung der Rentenversicherung von dem subjektiven Gefühl des Geschäftsführers ab, selbstverständlich sein eigener Herr zu sein. 

Besonders wenn Geschäftsanteile veräußert werden und sich die Stimmrechtsverhältnisse ändern, müssen neben den komplizierten gesellschaftsrechtlichen Abreden auch die Folgen für die Sozialversicherung im Blick behalten werden. Sonst drohen im schlimmsten Fall erhebliche Nachzahlungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern, wenn der Status eines Geschäftsführers leichtfertig falsch eingeschätzt wurde.

Hier geht es zu Teil 1 des Beitrags

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