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Einordnung als Schmähkritik – ein eng zu behandelnder Sonderfall

Falsche Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik verkürzt den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit. Daher ist Vorsicht bei der Einordnung geboten.
Schmähkritik Einordnung
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Inhalt des Beitrags

Mit Beschluss vom 8. Februar 2017 (Az.: 1 BvR 2973/14) hat sich das Bundesverfassungsgericht zur Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik geäußert. Die Äußerungen seien stets im Lichte der Meinungsfreiheit auszulegen und haben ein „eng zu behandelnder Sonderfall“ zu bleiben. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik mache eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.

Beleidigende Kommentierung einer Versammlung

Grund für die Verfassungsbeschwerde war eine Auseinandersetzung zwischen dem Versammlungsleiter einer Demonstration und einem Bundestagsabgeordneten der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dieser leitete die Gegendemonstration um die Durchführung des rechten Aufzuges aktiv zu verhindern.

Im Zuge dessen bezeichnete er die Teilnehmer der Demonstration mehrfach wörtlich und sinngemäß als „braune Truppe“ und „rechtsextreme Idioten“. Im Anschluss an diese Äußerung erwiderte der Veranstaltungsleiter: 

Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen.

Nach Strafantrag des Bundestagsabgeordneten verurteilte das Amtsgericht den Versammlungsleiter wegen Beleidigung in Form einer Schmähkritik zu einer Geldstrafe. Auf die Berufung hin verwarnte das Landgericht den Versammlungsleiter und behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe vor. Die Revision blieb erfolglos.

Gegen das letztinstanzliche Urteil ging der Versammlungsleiter mit einer Urteilsverfassungsbeschwerde vor. Hierin rügt er im Wesentlichen die Verletzung seiner Meinungsfreiheit.

Schmähung bleibt ein Sonderfall der herabsetzenden Äußerungen

Das Bundesverfassungsgericht gab nun der Verfassungsbeschwerde statt. Die angegriffene Entscheidung verletze den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG:

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit schützt nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Vielmehr darf Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen. Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktritt.

Instanzgerichte verkennen die Bedeutung der Meinungsfreiheit

Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind nach Ansicht des BVerfG auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Schmähkritik eingestuft werde. Denn dann unterfallen sie nicht mehr im gleichen Maße dem Schutz der Grundrechte, wie Äußerungen die als Werturteile anzusehen sind.

Die Instanzgerichte unterließen die gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung betroffenen Bundestagsabgeordneten. Auf diesem Wege gelange die letzte Instanz auch auf verfassungsrechtlich nicht mehr tragbare Weise zur Einordung als Schmähkritik.

Sie verkenne gerade die Bedeutung und Tragweite der durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit.

Keine ausreichende Beachtung der Gesamtumstände

Die angegriffene Entscheidung missverstehe zudem, dass der Versammlungsleiter mit seiner Äußerung gerade auch das Handeln des Bundestagsabgeordneten kommentiere. Denn es gehe ihm eben nicht ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des Geschädigten.

Einordnung als Schmähkritik muss eng zu behandelnder Sonderfall bleiben

Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

Um Vernachlässigungen der Meinungsfreiheit zu umgehen, müsse gerade die Einordung einer Äußerung als Schmähkritik ein eng zu behandelnder Sonderfall bleiben. Damit legt das Bundesverfassungsgericht einen durchaus engen Maßstab für die Zukunft fest.

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