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Im zweiten Teil unserer Serie beantworten wir die wichtige Frage nach den Kündigungsmöglichkeiten des insolventen Arbeitgebers.
Im ersten Teil unseres Beitrags zur Insolvenz von Arbeitgebern haben wir erläutert, was die Insolvenz eigentlich bedeutet und wie das Insolvenzverfahren abläuft. Hier kommt nun die Fortsetzung. Wir beantworten die wichtige Frage: Kann mir im Fall der Insolvenz gekündigt werden?
Wenn der Arbeitgeber insolvent wird, bleibt das Arbeitsverhältnis zunächst bestehen (§ 108 InsO). Das Schicksal der Arbeitsverhältnisse hängt stark davon ab, wie es mit dem Unternehmen weitergeht. Das entscheidet der Insolvenzverwalter, nachdem er die wirtschaftliche Lage analysiert und mögliche Optionen in Erwägung gezogen hat. Die Entscheidung kann darin bestehen, einen Betrieb komplett oder teilweise stillzulegen. Der Insolvenzverwalter kann aber auch entscheiden, das Unternehmen erstmal fortzuführen und strategisch neu aufzustellen.
Entscheidet der Insolvenzverwalter, dass der Betrieb ganz oder teilweise eingestellt wird, sind die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter konkret gefährdet. Der Insolvenzverwalter kann das Arbeitsverhältnis kündigen, wenn die Voraussetzungen einer Kündigung vorliegen.
Allerdings bleibt der Kündigungsschutz der Mitarbeiter bestehen. Arbeitgeber, die regelmäßig mehr als zehn Mitarbeiter in einem Betrieb in Deutschland beschäftigen, brauchen für eine Kündigung einen Kündigungsgrund. Das kann z.B. ein betriebsbedingter Grund sein. Die Insolvenz alleine reicht aber nicht aus! Der Arbeitgeber bzw. der Insolvenzverwalter muss vielmehr eine Organisationsentscheidung treffen, die dazu führt, dass der Bedarf für die Beschäftigung der Arbeitnehmer auf Dauer wegfällt. Das ist in der Praxis nicht immer einfach und birgt zahlreiche Fehlerquellen.
Im Falle der Insolvenz wird häufig entschieden, den Betrieb ganz oder teilweise stillzulegen. Bei dieser Entscheidung muss meistens auch der Betriebsrat einbezogen werden, wenn es einen gibt.
Entscheidet der Insolvenzverwalter, den Betrieb ganz oder teilweise stillzulegen, muss er für alle betroffenen Mitarbeiter prüfen, ob anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen bestehen – sei es auch auf deutlich schlechter bezahlten Stellen.
Wenn der Arbeitgeber nicht allen Mitarbeitern kündigt, muss er zudem darauf achten, dass er die richtigen auswählt. Die Auswahl kann nicht willkürlich getroffen werden. Vielmehr kommt es darauf an, welcher Mitarbeiter am wenigsten schutzwürdig ist. Die Kriterien hierfür sind durch das Kündigungsschutzgesetz abschließend geregelt: Es kommt auf die Betriebszugehörigkeit, das Alter, Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung des Mitarbeiters an. Der Insolvenzverwalter muss für jeden einzelnen Mitarbeiter anhand der genannten Kriterien sorgfältig prüfen, ob eine Kündigung in Betracht kommt. In der Praxis passieren hier häufig Fehler. Beachtet der Insolvenzverwalter die Kriterien der Sozialauswahl nicht oder unterlaufen ihm dabei Fehler, sind die Kündigungen unwirksam.
Grundsätzlich gilt in der Insolvenz eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende (§ 113 InsO). Besonders für langjährig Beschäftigte kann das ärgerlich sein. Denn die haben häufig eigentlich längere Kündigungsfristen. Umso länger das Arbeitsverhältnis bestanden hat, desto länger sind normalerweise die Kündigungsfristen. In manchen Arbeitsverträgen sind auch unabhängig von der Betriebszugehörigkeit von vornherein wesentlich längere Kündigungsfristen vereinbart. In der Insolvenz verlieren die Mitarbeiter diesen Schutz teilweise. Denn die gesetzliche Regelung sieht vor, dass sich alle Kündigungsfristen nach § 113 InsO auf drei Monate verkürzen. Sehen das Gesetz bzw. der Arbeits- oder Tarifvertrag hingegen eine kürzere Kündigungsfrist vor, dann gilt die auch in der Insolvenz.
Arbeitnehmer sollten sich gut überlegen, ob sie gegen eine Kündigung klagen, wenn die im Laufe des Insolvenzverfahrens ausgesprochen wird. Legt der Arbeitgeber seinen Betrieb vollständig still, geht die Klage ins Leere. Hoffnungen auf eine hohe Abfindung bestehen dann in der Regel auch keine, weil dem Arbeitgeber hierfür die finanziellen Mittel fehlen. Wenn es einen Betriebsrat gibt, kann der aber unter Umständen mit dem Arbeitgeber über einen Sozialplan verhandeln.
Die Erfolgsaussichten stehen anders, wenn der Insolvenzverwalter entscheidet, den Betrieb zumindest teilweise fortzusetzen und nur einem Teil der Mitarbeiter zu kündigen. Dann kann durch die Klage versucht werden, das Arbeitsverhältnis zu retten oder eine Abfindung auszuhandeln. Hierzu müssen Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben.
Ebenso können die Erfolgsaussichten ziemlich gut sein, wenn der Insolvenzverwalter entscheidet, das Unternehmen zu verkaufen. Denn grundsätzlich gehen dann alle Arbeitsverhältnisse auf den Käufer über (sog. Betriebsübergang, § 613a BGB). Eine Kündigung durch den neuen Arbeitgeber ist dann – sofern das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist – wieder nur möglich, wenn der einen triftigen Grund für die Kündigung vorweisen kann.
Für die Mitarbeiter von Germania sah es in dieser Hinsicht leider schlecht aus. Die Start- und Landerechte hätten ggf. noch an andere Fluggesellschaften verkauft werden können, wodurch ein Betriebsübergang hätte zustande kommen können, wenn die Lizenzen die wesentlichen Assets der Gesellschaft darstellen. Hierzu wird es aber wohl nicht kommen, weil der Flugbetrieb eingestellt wird.
Wenn eine Kündigung ausgesprochen wurde, sollten Arbeitnehmer sich spätestens drei Monate vor Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend melden, um später Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld zu vermeiden. Ist dies aufgrund einer kurzfristigen Kündigung nicht mehr möglich, müssen sie sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts melden. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob Kündigungsschutzklage eingereicht wird.
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Valentin Lützow E-Mail: luetzow@tww.law
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