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Was Werbung mit dem Begriff ,,klimaneutral“ wirklich bedeutet

Klimaneutralität unter der rechtlichen Lupe: Ein Blick u.a. auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt.
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Inhalt des Beitrags

In einer Welt, die zunehmend von Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit geprägt ist, hat der Begriff ,,klimaneutral“ in der Werbung an Bedeutung gewonnen. Unternehmen versprechen ihren Kunden, dass ihre Produkte oder Dienstleistungen klimaneutral sind, und setzen damit auf die positive Wahrnehmung von Umweltverantwortung. Doch für den Verbraucher ist oft unklar auf was sich die Klimaneutralität bezieht oder auf welche Art und Weise diese zustande gekommen ist. Jedenfalls suggeriert der Begriff ,,klimaneutral“, dass ein Unternehmen genauso viel CO2 aus der Atmosphäre entfernt, wie es emittiert, also eine ausgeglichene CO2-Bilanz zu verzeichnen hat. Umweltbezogene Werbeaussaugen haben einen positiven Einfluss auf die Kaufentscheidung. Bei umweltbezogener Werbung sind deshalb ebenso wie bei gesundheitsbezogener Werbung strenge Maßstäbe anzulegen.

Klimaneutral durch Kompensation und Kauf von Zertifikaten

Es existieren verschiedene Ansätze zur Berechnung der Klimaneutralität, von denen nicht alle gleich transparent oder effektiv sind. Eine Möglichkeit ist die Erreichung von Klimaneutralität durch die Kompensationsmethode, mit der Unternehmen und Einzelpersonen ihre CO2-Emissionen ausgleichen können. Dieser Ansatz beinhaltet die Implementierung von Maßnahmen oder die Unterstützung von Projekten, die dazu dienen, die gleiche Menge an CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen oder zu reduzieren, wie durch die eigene Aktivität emittiert wird. Unternehmen können beispielsweise Bäume pflanzen oder in Projekte zur erneuerbaren Energie investieren, um die ausgerechnete Menge ihrer Emissionen um dieselbe Menge wieder auszugleichen. Eine andere Methode ist der Kauf von Zertifikaten, die die CO2-Reduzierung durch externe Projekte repräsentieren. Diese Zertifikate erlauben es Unternehmen oder Einzelpersonen, ihre eigenen Emissionen auszugleichen, indem sie auf die CO2-Reduzierung anderer, also unternehmensfremden Projekte zurückgreifen. Beide Ansätze haben das Ziel, die CO2-Bilanz auszugleichen, aber sie basieren auf unterschiedlichen Mechanismen und können in ihrer Effektivität variieren. 

Die Risikofaktoren der CO2-Kompensation für Unternehmen

In einigen Fällen können sich Unternehmen so stark auf Kompensationsmaßnahmen konzentrieren, dass sie die Anstrengungen zur direkten Reduzierung ihrer eigenen Emissionen vernachlässigen. Dies kann zu einer Ablenkung von den notwendigen Bemühungen zur Emissionsreduzierung führen. Ein weiteres häufiges Problem ist die selektive Ausklammerung bestimmter Emissionsarten, wodurch ein unvollständiges Bild der Umweltauswirkungen entsteht. Bedenklich ist auch, dass es insbesondere an ordnungsgemäßer Überwachung und Transparenz bei der Unterstützung von Klimaschutzprojekten im Ausland fehlen kann. Kompensation sollte nicht als Ersatz für die Reduktion eigener Emissionen dienen. Unternehmen, die sich ausschließlich auf Kompensation verlassen, könnten langfristig in Schwierigkeiten geraten, da zunehmend strengere Emissionsstandards eingeführt werden. Schließlich riskieren Unternehmen auch ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie behaupten, klimaneutral zu sein, aber keine ausreichenden Nachweise oder Maßnahmen dafür vorlegen können, um dies zu belegen.

Beispiel OLG Frankfurt: Der Begriff ,,Klimaneutralität“ bedarf weiterer Aufklärung 

Wie wichtig Transparenz und Authentizität in diesem Zusammenhang sind, zeigt das Urteil des OLG Frankfurt (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 10. November 2022 – 6 U 104/22). Beide Parteien sind Hersteller von umweltfreundlichen Haushaltsreinigern, darunter Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel. Die Beklagte verwendet auf ihrer Website unter anderem das Logo ,,klimaneutral“. Die Klägerin beanstandet die Verwendung dieses Begriffs als irreführend, da er einer näheren Erläuterung bedürfe. Das OLG Frankfurt stellt klar, dass der Verbraucher bei der Werbung mit ,,klimaneutral“ eine ausgeglichene Bilanz der CO2-Emissionen versteht und weiß, dass dies auch durch Vermeidungs- und Kompensationsmethoden (z. B. Ausgleichsprojekte, Kauf von Zertifikaten) erreicht werden kann. 

Das OLG entschied, dass der Verbraucher für eine informierte Kaufentscheidung darüber aufgeklärt werden muss, ob bestimmte Emissionen aus der CO2-Bilanz weggelassen wurden und ob sich die Klimaneutralität auf das Unternehmen, das Produkt oder auf beides bezieht. Im vorliegenden Fall wurde nicht darüber informiert, dass die sogenannten Scope 3 Emissionen nicht in die Berechnung einbezogen wurden. Dabei handelt es sich um indirekte Treibhausgasemissionen, die durch die Lieferkette, die Nutzung von Produkten und Dienstleistungen sowie andere indirekte Aktivitäten eines Unternehmens verursacht werden. Das sogenannte Greenhouse Gas Protocol, ein weltweit anerkannter Standard zur Erfassung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen, lässt dies zwar zu, ändert aber nichts an der Aufklärungspflicht. Es ist auf den Kenntnisstand des durchschnittlichen Verbrauchers abzustellen, der von der Nichtberücksichtigung der Scope 3 Emissionen nichts weiß.

Wesentliche Informationen im Rahmen der Aufklärungspflicht

Nach § 5a UWG handelt derjenige wettbewerbsrechtlich unlauter, der dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält. Unter der Berücksichtigung dieser Vorschrift, legt das OLG die wesentlichen Informationen wie folg fest: 

  • die Bemessungsgrundlage
  • der Berechnungsstandard der CO2-Bilanz und der Reduzierungsmaßnahmen
  • die von der Bilanzierung ausgenommenen Emissionen
  • der Umfang der Reduzierungsmaßnahmen im Verhältnis zu den zuvor ermittelten Emissionen
  • die Art der Kompensation
  • den Gegenstand des zur Kompensation unterstützten Klimaprojekts

Im vorliegenden Fall handelte es sich um ein Produkt des täglichen Bedarfs. Bei höherpreisigen Produkten oder Dienstleistungen müssen umfangreichere Informationen zur Verfügung gestellt werden. Oft reicht es nicht aus, alle relevanten Informationen in der Werbung darzustellen, so dass es zulässig ist, auf eine Website zu verweisen, auf der weitere Informationen zu den Prüfkriterien für eine bewusste Kaufentscheidung zu finden sind. Dies kann auch in Form eines QR-Codes auf dem Produkt erfolgen.

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