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LG Essen, Urteil vom 30.1.2019 – 12 O 62/18

Der Mieter einer Wohnung muss die Anbringung von Kameras oder entsprechender Attrappen im Hausflur nicht dulden. Die dadurch erfolgte Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts könne auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass der Vermieter sein Eigentum – ohne konkreten Anlass, rein vorsorglich – schützen möchte.

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Inhalt des Beitrags

Tenor: 

 Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, eine Video- oder Audioüberwachung des Treppenhauses des Mehrfamilienhauses … durchzuführen.

 Die Beklagten werden ferner verurteilt, die im zweiten Obergeschoss des Treppenhauses des Mehrfamilienhauses … aufgestellte Videokamera und die installierte Kameraattrappe zu entfernen.

 Die Beklagten werden darüber hinaus verurteilt, sämtliche mittels der Videokamera angefertigten Bild- und Tonaufnahmen von dem Kläger auf sämtlichen Datenträgern dauerhaft zu löschen.

 Die Beklagten werden weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 297,62 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2018 zu zahlen.

 Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

 Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

 Tatbestand: 

 Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der Installation einer Videokamera in dem Hausflur des von beiden Parteien bewohnten Mehrfamilienhauses. Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten, die Videoüberwachung des Hausflures zu unterlassen, die aufgestellte Videokamera sowie die installierte Kameraattrappe zu entfernen und sämtliche angefertigte Aufnahmen von dem Kläger zu löschen.

 Die Parteien sind Nachbarn. Sie wohnen in einem Mehrfamilienhaus im …. Die Beklagten bewohnen eine Wohnung im zweiten Obergeschoss, welche im Eigentum des Beklagten zu 1) steht. Neben der Wohnung der Beklagten befindet sich keine weitere Wohnung auf derselben Etage. Der Kläger und seine Ehefrau wohnen zur Miete in einer Wohnung im ersten Obergeschoss des Hauses. Auf derselben Etage befindet sich eine weitere Wohnung. Seit dem 01.01.2019 ist der Beklagte zu 1) Eigentümer der Wohnung, in welcher der Kläger wohnt.

 Das nachbarschaftliche Verhältnis zwischen den Parteien ist angespannt. Es kam wiederholt zu Streitigkeiten mit verbalen Auseinandersetzungen, deren Hergang und Inhalt zwischen den Parteien streitig ist.

 Im Januar 2017 installierten die Beklagten über ihrer Wohnungseingangstür im zweiten Obergeschoss eine Videokameraattrappe. Diese ist in Richtung des Treppenaufgangs von der ersten in die zweite Etage des Hauses gerichtet und mit einem rot leuchtenden Licht versehen, welches den Anschein einer Aufnahme erweckt.

 In der Zeit nach dem 16.07.2017 stellten die Beklagten in dem Hausflur vor ihrer Wohnung im zweiten Obergeschoss des Hauses zusätzlich zu der Kameraattrappe eine funktionsfähige Videokamera auf. Diese fertigt Bild- und Tonaufzeichnungen an. Bei dem Hausflur, in dem die Kamera aufgestellt ist, handelt es sich um Gemeinschaftseigentum, das von allen Bewohnern genutzt werden darf. Die Kamera erfasst den Bereich vor der Wohnung der Beklagten und den oberen Bereich des Treppenaufgangs von dem ersten in das zweite Obergeschoss. In dem Flur auf der zweiten Etage befindet sich ein Fenster, welches im Aufnahmebereich der Kamera liegt, sodass Personen, die das Fenster öffnen oder schließen, gefilmt werden.

 Eine Einwilligung des Klägers in die Fertigung von Video- und Tonaufzeichnungen lag zu keiner Zeit vor.

 Am 08.12.2017 übersandte der Beklagte zu 2) dem Kläger eine E-Mail mit folgendem Wortlaut:

 „Was sind das für heimliche Aktionen im Dunkeln vor unserer Wohnungstür? Wer ist der Fremde, den sie da geschickt haben? Bekommen wir nicht kurzfristig voll umfänglich Klarheit erstatten wir gegen Sie und gegen Unbekannt umgehend Anzeige!“

 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die E-Mail vom 08.12.2017 (Anlage 5 zur Klageschrift, Bl. 21 d.A.) Bezug genommen.

 Der E-Mail war ein Video beigefügt, das die Kamera der Beklagten an demselben Tag aufgezeichnet hatte. Zu Beginn des Videos ist zu sehen, dass in dem Hausflur zunächst kein Licht angeschaltet ist. Kurz nach Einsetzen des Videos ist sodann zu hören, wie jemand die Eingangstür des Hauses öffnet und in das Haus hineinkommt. Daraufhin schaltet sich das Licht in dem Hausflur an. Es ist zu hören, wie die Ehefrau des Klägers zu diesem sagt, dass bestimmt das Fenster im Flur offen sei. Nach einiger Zeit schaltet sich das Licht im Flur wieder aus. Kurze Zeit später ist auf dem Video zu sehen, dass der Kläger in die obere Etage des Hauses geht und dort das Flurfenster schließt. Nachdem der Kläger nicht mehr zu sehen ist, läuft das Video ca. 1:48 Minuten weiter, ohne dass jemand zu sehen oder zu hören ist. Wegen des konkreten Inhalts des Videos wird auf die Anlage K2 zur Klageschrift (Bl. 18. d.A.) Bezug genommen.

 Am 02.02.2018 erstattete der Kläger wegen der Videoaufzeichnung durch seinen Rechtsanwalt Anzeige beim Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.02.2018 forderte der Kläger die Beklagten auf, bis zum 23.02.2018 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hinsichtlich der weiteren Videoaufnahmen abzugeben, die Videokamera zu entfernen und sämtliche Aufnahmen zu löschen. Dies lehnten die Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 22.02.2018 ab.

 Der Kläger behauptet, seine Frau und er seien infolge der Videokamera einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt. Dieser führe dazu, dass sie nur noch schweigend durch den Hausflur gingen. Zudem behauptet der Kläger, dass die angefertigten Videoaufzeichnungen von den Beklagten noch nicht gelöscht worden seien.

 Der Kläger hat mit seinem Klageantrag zu 2) zunächst beantragt, die im zweiten Obergeschoss installierte Videokamera zu entfernen. Mit Schriftsatz vom 20.06.2018 hat der Kläger den Antrag dahingehend geändert, neben der aufgestellten Videokamera auch die installierte Kameraattrappe zu entfernen.

 Der Kläger beantragt nunmehr,

 1.die Beklagten zu verurteilen, bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen, eine Video- und bzw. oder Audioüberwachung des Treppenhauses des Mehrfamilienhauses … durchzuführen,

 2.die Beklagten zu verurteilen, die im zweiten Obergeschoss des Treppenhauses des Mehrfamilienhauses … aufgestellte Videokamera und die installierte Kameraattrappe zu entfernen,

 3.die Beklagten zu verurteilen, sämtliche mittels der Videokamera angefertigten Bild- und Tonaufnahmen von dem Kläger auf sämtlichen Datenträgern dauerhaft zu löschen,

 4.die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, außergerichtliche Kosten in Höhe von 757,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz an den Kläger zu zahlen.

 Die Beklagten beantragen,

 die Klage abzuweisen.

 Die Beklagten rügen die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Essen.

 Sie sind zudem der Ansicht, die Installation der Videokamera sei rechtmäßig erfolgt, da sie dem Schutz ihres Eigentums und ihrer Person diene. Hierzu behaupten sie, in dem Nachbarhaus im … sei bereits drei Mal eingebrochen worden, zuletzt Ende des Jahres 2014. Vor 10 Jahren habe es einen Einbruch in die Erdgeschosswohnung des Hauses … gegeben. In der übrigen Nachbarschaft habe es bereits elf Einbrüche gegeben. Am 28.12., 29.12.2018 und 02.01.2019 habe die Polizei in … im Internet über Einbrüche in im Umkreis von 100 m Luftlinie zu dem streitgegenständlichen Haus befindlichen Straßen … und … berichtet.

 Zudem müssten sich die Beklagten durch die Videokamera vor dem Kläger schützen. Es sei in der Vergangenheit zu mehreren verbalen Auseinandersetzungen mit dem Kläger gekommen. So habe der Kläger dem Beklagten zu 1) am 10.03.2017 im Treppenhaus den Durchgang verweigert und ihn gefragt, ob er nicht wisse, dass Verleumdung und üble Nachrede mit Gefängnisstrafen geahndet würden. Zudem sei der Kläger gegenüber den Beklagten mehrfach ausfallend geworden, weil diese ihn oder seine Ehefrau gegrüßt hätten, obwohl der Kläger zum Ausdruck gebracht habe, von den Beklagten nicht mehr gegrüßt werden zu wollen. Am 16.07.2017 habe der Kläger die Beklagten im Treppenhaus nicht passieren lassen. Hierbei habe er die Beklagten beschimpft und sie bis zu ihrer Tür in der ersten Etage verfolgt. Als die Beklagten an ihm vorbei gegangen seien, habe er mehrfach drohend die Hand gehoben. Am 09.12.2017 habe der Kläger sich beim Weihnachtsgrillen der Bewohner des Hauses in beleidigender Weise über die Homosexualität der Beklagten geäußert.

 Die Beklagten behaupten ferner, die Videokamera werde seit einem Update im Januar 2018 nur noch durch Bewegungen im Erfassungsbereich der Kamera aktiviert. Nach Aktivierung der Kamera sei diese nunmehr nur noch zwei Minuten aktiv und schalte sich dann automatisch ab. Das aufgenommene Bildmaterial werde nach 24 Stunden automatisch gelöscht. Auch das Video, das den Kläger am 08.12.2017 zeige, sei bereits gelöscht worden.

 Die Klage ist den Beklagten am 15.04.2018 zugestellt worden.

 Entscheidungsgründe: 

 Die Klage ist zulässig und nach dem übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien im Wesentlichen begründet.

 Das Landgericht Essen ist insbesondere auch gem. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich für die Entscheidung des Rechtsstreites zuständig, da der Streitwert die Summe von 5.000 € übersteigt. Der Streitwert beträgt 6.000 €, da für die Anträge 1) bis 3) gem. § 3 ZPO jeweils von einem Streitwert von 2.000 € auszugehen war.

 1. Dem Kläger steht der mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung einer Video- und Audioüberwachung des Treppenhauses gem. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu. Denn die Video- und Audioaufnahmen verletzen den Kläger in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und sind auch nicht durch schutzbedürftige Belange der Beklagten gerechtfertigt. Die Beklagten haben das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, indem sie mittels einer Videokamera Bild- und Tonaufzeichnungen von dem Kläger angefertigt haben.

 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart und persönliche Daten preisgegeben und verwendet werden (BGH, Urt. v. 16.03.2010, Az. VI ZR 176/09 = NJW 2010, 1533, 1534 Rn. 11). Aus diesem Grund schützt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht auch jedermann vor einer technisch gestützten Beobachtung und der Aufzeichnung persönlicher Lebenssachverhalte ohne Einwilligung. Die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit wird gefährdet, wenn jederzeit mit der Beobachtung durch Personen gerechnet werden muss, die man selbst nicht sehen kann oder wenn die reproduzierbare Aufzeichnung des eigenen Verhaltens droht. Denn durch eine Video- und Tonaufzeichnung können Lebensvorgänge technisch fixiert und in der Folge abgerufen, aufbereitet und gegebenenfalls ausgewertet werden. Hierdurch können eine Vielzahl von Informationen über die Betroffenen, ihre Familienmitglieder, Freunde und Besucher gewonnen werden (BVerfG, Beschl. v. 23.02.2007, Az. 1 BvR 2368/06 = NVwZ 2007, 688, 690; AG Brandenburg, Urt. v. 22.02.2016, Az. 31 C 138/14 = BeckRS 2016, 1524). Auch kann das durch die Überwachung gewonnene Material dazu genutzt werden, das Verhalten des Betroffenen zu beeinflussen, indem „belastendes“ Material über ihn gesammelt wird (vgl. AG Brandenburg, Urt. v. 22.01.2016, Az. 31 C 138/14 = NJOZ 2017, 365, 367).

 Die von den Beklagten aufgestellte Videokamera hat nicht nur das Verhalten des Klägers aufgezeichnet, die Beklagten haben dem Kläger auch in Aussicht gestellt, das über ihn gesammelte Material strafrechtlich gegen ihn zu verwenden. Dies stellt eine gravierende Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers dar.

 So hat die Videokamera der Beklagten am 08.12.2017 aufgenommen, wie der Kläger mit seiner Ehefrau das Mehrfamilienhaus in der … betritt. Der Bildaufnahmebereich der Videokamera erfasst zwar unmittelbar nur den Bereich des Hausflures vor der Wohnung der Beklagten im zweiten Obergeschoss. Allerdings fertigt die Kamera auch Tonaufzeichnungen an, sodass das Gespräch zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau von der Kamera aufgezeichnet wurde und auf der Aufnahme zu hören ist. Zudem hat die Videokamera der Beklagten den Kläger auch gefilmt, als er das Flurfenster in der zweiten Etage geschlossen hat. Diese Aufnahme des Klägers haben die Beklagten genutzt, um dem Kläger strafrechtliche Konsequenzen für sein Verhalten anzudrohen. Mit der Video- und Tonaufzeichnung wollten die Beklagten daher offensichtlich das Verhalten des Klägers beeinflussen und ihn davon abhalten, künftig die obere Etage zu betreten und dort das Flurfenster zu schließen. Da es sich bei dem Flur um Gemeinschaftseigentum handelt, ist der Kläger jedoch befugt, diesen Bereich zu betreten und dort auch das Fenster zu schließen.

 Zudem können die Beklagten durch die Aufnahmefunktion der Videokamera potenziell sämtliche Gespräche des Klägers mit seiner Ehefrau oder sonstigen Besuchern im Hausflur aufzeichnen und dokumentieren, was dazu führt, dass der Kläger einem ständigen Überwachungsdruck seitens der Beklagten ausgesetzt ist. Der Kläger hat auch keine Möglichkeit, dieser Überwachung zu entgehen, da er auf die Nutzung des Hausflures angewiesen ist. Die einzige Möglichkeit, Aufzeichnungen seiner Gespräche verlässlich zu unterbinden besteht darin, solche im Hausflur gänzlich zu unterlassen.

 Diese Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ist auch rechtswidrig, da bei einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen die schutzwürdigen Belange des Klägers überwiegen.

 Ob eine Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtswidrig ist, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und durch Vornahme einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung zu beantworten (BGH, Urt. v. 16.03.2010, Az. VI ZR 176/09 = NJW 2010, 1533, 1534 Rn. 11). Damit die Abwägung zu Gunsten des Nutzers der Videokamera ausfallen kann, muss die Überwachung zur Abwehr schwerwiegender Beeinträchtigungen erforderlich und die drohende Beeinträchtigung auf andere Weise nicht zu verhindern sein (BGH, Urt. v. 25.04.1995, Az. VI ZR 272/94 = NJW 1995, 1955, 1957; LG Paderborn, Urt. v. 30.11.2017, Az. 3 O 182/17 = NZM 2018, 766, 768). Derartige schwerwiegende Beeinträchtigungen liegen auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht vor.

 Die Videoüberwachung lässt sich insbesondere nicht mit dem Bedürfnis der Beklagten, ihr Eigentum vor Wohnungseinbruchsdiebstählen zu schützen, rechtfertigen. Den Beklagten kommt zwar grundsätzlich das verfassungsrechtliche garantierte (Art. 14 GG) Recht zu, geeignete Schutzmaßnahmen für ihr Eigentum zu ergreifen. Dies darf aber nicht in unverhältnismäßiger Weise auf Kosten des Eingriffs in hochrangige Rechtsgüter Dritter erfolgen (BGH, Urt. v. 25.04.1995, Az. VI ZR 272/94 = NJW 1995, 1955, 1957). Eine rein vorsorgliche Überwachung des Wohnungseigentums, welche nicht an bereits an begangene Taten anknüpft, ist unverhältnismäßig (vgl. KG, Beschl. v. 04.08.2008, Az. 8 U 83/08 = NZM 2009, 736, 737).

 Selbst nach dem Vortrag der Beklagten liegt kein konkreter Anlass für die Videoüberwachung in Form von Einbrüchen im … vor. Die Beklagten behaupten lediglich, dass es vor 10 Jahren zu einem Einbruch in die Erdgeschosswohnung gekommen sei. Auf Nachfrage konnten sie bei ihrer Anhörung im Termin am 09.01.2019 nicht sagen, ob die Einbrecher über das Treppenhaus oder über ein Fenster oder eine Terrassentür in die Wohnung eingedrungen sind. Außerdem sei in ihrem Nachbarhaus im … eingebrochen worden sei, wobei der letzte Einbruch Ende des Jahres 2014 erfolgt sei. Zudem behaupten die Beklagten, in der weiteren Nachbarschaft sei bereits mehrfach eingebrochen worden. Diese Vorgänge rechtfertigen – selbst wenn sie sich tatsächlich ereignet haben – eine dauerhafte Videoüberwachung nicht. Denn es besteht lediglich eine abstrakte Gefahr, dass es auch im … künftig zu einem Einbruch kommen wird. Zudem ist zu bezweifeln, ob die Videokamera der Beklagten überhaupt eine abschreckende Wirkung hat und ihren angedachten Zweck erfüllen kann. Denn da sie sich lediglich über der Wohnungstür der Beklagten befindet und auch sonst nicht auf sie hingewiesen wird, hält sie potenzielle Einbrecher jedenfalls nicht davon ab, in das Mehrfamilienhaus hineinzugelangen.

 Auch die von den Beklagten zur Rechtfertigung angeführten nachbarschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Kläger, können eine dauerhafte Überwachung des Hausflures nicht rechtfertigen. Es kann daher dahinstehen, ob es tatsächlich zu entsprechenden Auseinandersetzungen mit dem Kläger gekommen ist. Denn es handelt sich weder um besonders schwerwiegende Beeinträchtigungen, noch haben die Beklagten dargetan, dass die behaupteten Beeinträchtigungen nicht auf andere Weise als durch eine Überwachung des Hausflures verhindert werden können. Überwiegend handelt es sich bei den behaupteten Beeinträchtigungen lediglich um gegenseitige verbale Auseinandersetzungen von geringem Gewicht. Auch der vermeintliche Vorfall vom 16.07.2017 wäre als Anlass für eine dauerhafte Videoüberwachung nicht ausreichend. Denn auch hier ist es nach dem Vortrag der Beklagten lediglich zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen. Dass der Kläger drohend die Hand gehoben haben soll, reicht für die Rechtfertigung des andauernden Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht aus. Die Videokamera erfasst ohnehin nur einen Teil des Treppenhauses und bietet keinen Schutz vor Beleidigungen oder Bedrohungen, die außerhalb des Hauses ausgesprochen werden. Zudem ist es den Beklagten auch zumutbar, künftige Auseinandersetzungen mit dem Kläger auf andere Weise zu vermeiden, beispielsweise durch eine Streitschlichtung.

 Schließlich ist der Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht auch nicht durch eine Einwilligung des Klägers gerechtfertigt. Dieser hat zu keinem Zeitpunkt in die Anfertigung von Video- und Tonaufzeichnungen eingewilligt. Unerheblich ist demgegenüber, ob die übrigen Bewohner des Hauses oder die Wohnungseigentümer in die Anfertigung von Videoaufnahmen eingewilligt haben. Denn in eine Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts muss stets der Grundrechtsträger selbst einwilligen.

 Anders als die Beklagten meinen, wäre der Eingriff auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Kläger seinerseits einen elektronischen Türspion in seine Wohnungstür eingebaut hätte, was dieser im Übrigen auch bestreitet. Denn dies würde sie allenfalls dazu berechtigen, ihrerseits gegen den Kläger vorzugehen.

 Die Beklagten sind als Handlungsstörer auch die richtigen Anspruchsgegner. Zudem ist auch die für die Bejahung des Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr zu bejahen. In der Regel begründet die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (Herrler in Palandt, 78. Aufl. 2019, § 1004 Rn. 32). Dabei ist es unerheblich, ob die Videokamera nunmehr anders betrieben und die Aufnahmefunktion nur durch Bewegungen im Erfassungsbereich der Videokamera ausgelöst wird. Denn schon allein aufgrund der früheren Film- und Tonaufnahmen besteht aus Sicht eines objektiven Dritten in der Position des Klägers die naheliegende Befürchtung, wiederholt zum Gegenstand der Überwachung zu werden (vgl. OLG Köln, Urt. v. 22.06.2016, Az. 15 U 33/16 = NJW 2017, 835, 836). Dies gilt gerade vor dem Hintergrund des zwischen den Parteien bestehenden Nachbarschaftsstreits.

 2. Dem Kläger steht auch der mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Anspruch auf Beseitigung der Videokamera und der Kameraattrappe zu. Der Anspruch ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB.

 Dem Kläger steht gegen die Beklagten wegen des Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht ein Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung zu. Dieser Beseitigungsanspruch rechtfertigt vorliegend ausnahmsweise auch die von dem Kläger konkret begehrte Rechtsfolge, nämlich die Beseitigung der Kamera sowie der Attrappe. Ein Störer kann im Rahmen eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB dann zu einer konkreten Maßnahme verurteilt werden, wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet (vgl. OLG Köln, Urt. v. 22.06.2016, Az. 15 U 33/16 = NJW 2017, 835, 836). Nach diesen Maßstäben kann der Kläger die begehrte Beseitigung verlangen, da es neben der Entfernung keine Alternative gibt, die Beeinträchtigung zu beseitigen. Dies gilt sowohl für die funktionsfähige Kamera, als auch für die Kameraattrappe. Denn durch beide wird der Kläger einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt, der sich nur durch eine vollständige Entfernung beseitigen lässt. Ein ständiger Überwachungsdruck verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wenn der Betroffene eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft befürchten muss (BGH, Urt. v. 16.03.2010, Az. VI ZR 176/09 = NJW 2010, 1533, 1534 Rn. 13).

 Hinsichtlich der funktionsfähigen Kamera resultiert dieser Überwachungsdruck einerseits daraus, dass in der Vergangenheit unstreitig Bild- und Tonaufnahmen angefertigt wurden und anderseits daraus, dass der Standort der Kamera und ihre konkrete Funktionsweise jederzeit verändert werden können, ohne dass dies in Art und Umfang von einem außenstehenden Beobachter wahrgenommen werden könnte. Zudem ist das Verhältnis zwischen den Parteien durch nachbarschaftliche Auseinandersetzungen geprägt. Auch insofern ist es nicht fernliegend, dass die Beklagten auch in Zukunft die Videokamera nutzen könnten, um den Kläger erneut zu überwachen (vgl. OLG Köln, Urt. v. 22.06.2016, Az. 15 U 33/16 = NJW 2017, 835, 837).

 Auch die Kameraattrappe führt zu einer Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Denn auch bei einer tatsächlich nicht erfolgenden Überwachung kann der verbleibende Überwachungsdruck ausreichen, wenn entsprechende Verdachtsmomente vorliegen und eine Überwachung objektiv ernsthaft zu befürchten ist (LG Berlin, Urt. v. 28.10.2015, Az. 67 S 82/15 = ZD 2016, 189 f.; BGH, Urt. v. 16.03.2010, Az. VI ZR 176/09 = NJW 2010, 1533, 1534 Rn. 13). So ist es hier, denn es kann äußerlich nicht ohne weiteres erkannt werden, ob weiter eine bloße Attrappe oder eine Videokamera mit Aufzeichnungen betrieben wird. Es ist dem Kläger nicht möglich und auch nicht zumutbar, laufend die Gegebenheiten dahin zu überprüfen, ob es bei der Attrappe geblieben ist. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die derzeit installierte Kameraattrappe bereits täuschend echt aussieht und deshalb auch ohne weiteres durch eine echte Videokamera ersetzt werden kann, ohne dass dies auffällt.

 3. Dem Kläger steht ferner gegen die Beklagten gem. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Löschung sämtlicher, von ihm angefertigter Bild- und Tonaufzeichnungen zu. Die Speicherung der Aufnahmen verletzt den Kläger in rechtswidriger Weise seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Der Anspruch hat sich auch nicht zwischenzeitlich erledigt. Die Beklagten behaupten zwar, das Material sei zwischenzeitlich gelöscht worden, dies wird von dem Kläger jedoch bestritten. Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Vortrag der Beklagten das gespeicherte Bild- und Tonmaterial automatisch nach 24 Stunden gelöscht wird. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass in den letzten 24 Stunden vor der mündlichen Verhandlung noch Film- oder Tonaufnahmen gemacht werden. Auch bei einer Entfernung kann es sein, dass in den letzten 24 Stunden noch Film- oder Tondateien gespeichert wurden.

 Bei einem Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB muss die Beeinträchtigung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch bestehen (Herrler in: Palandt, § 1004 Rn. 27). Für das Vorliegen einer andauernden Beeinträchtigung trägt grundsätzlich der Kläger die Beweislast. Allerdings trifft die Beklagten eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Tatsache, dass sie die Videos tatsächlich gelöscht haben. Eine solche sekundäre Darlegungslast setzt voraus, dass eine nähere Darlegung des Sachverhalts der primär beweisbelasteten Partei nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Gegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urt. vom 10.2.2015, Az. VI ZR 343/13 = NJW-RR 2015, 1279, 1280). Dem Kläger ist es nicht möglich konkret darzulegen, dass die Beklagten das Videomaterial noch nicht gelöscht haben, da er keinerlei Kenntnis von dieser Tatsache besitzt und auch nicht die Möglichkeit hat, sich diese Kenntnis zu verschaffen. Den Beklagten wäre es hingegen ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, nähere Angaben dazu zu machen, zu welchem Zeitpunkt die Videos von ihnen gelöscht wurden. Dieser Darlegungslast sind die Beklagten indes nicht nachgekommen, da sie lediglich pauschal behauptet haben, dass das Material bereits gelöscht worden sei. Es war deshalb der Vortrag des Klägers zugrunde zu legen, dass es noch nicht zur einer Löschung des Materials gekommen ist.

 Aus diesem Grund kann auch dahinstehen, ob dem Kläger zusätzlich auch ein Anspruch auf Löschung aus Art. 17 DSGVO zusteht.

 4. Der mit dem Klageantrag zu 4) begehrte Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Kosten steht dem Kläger lediglich in Höhe von 297,62 € und auch nur wegen der Kosten der Abmahnung der Beklagten zu. Der Anspruch folgt aus § 823 Abs. 1 BGB, da die erfolgte Videoüberwachung den Kläger in rechtswidriger Weise in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt hat. Die vorgerichtlichen Kosten für die Abmahnung sind nach § 249 Abs. 1 BGB erstattungsfähig, da der Kläger diese zur Abwendung der Beeinträchtigung getätigt hat und auch für erforderlich halten durfte (Grüneberg in: Palandt, Vorb. v. § 249, Rn. 44). Dem Kläger steht der Anspruch jedoch nur in Höhe von 297,62 € zu, da er den nicht anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr in Höhe von 0,65 verlangt und der Gebührenstreitwert bei 6.000 € liegt.

 Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB. Der Antrag des Klägers war mangels anderer Anhaltspunkte dahin auszulegen, dass Zinsen ab Rechtshängigkeit beansprucht werden sollen.

 Hingegen kann der Kläger die vorgerichtlichen Kosten für die Anzeige bei dem Landesbaufragten für Datenschutz nicht ersetzt verlangen. Denn nach § 249 Abs. 1 BGB sind nur solche Aufwendungen erstattungsfähig, die der Geschädigte für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Erstattungsfähig sind insbesondere die zur Durchsetzung des Anspruchs erforderlichen Kosten (Grüneberg in: Palandt, § 249 Rn. 56). Die Anzeige an den Landesbeauftragten für Datenschutz war jedoch für die zivilrechtliche Durchsetzung des Anspruchs nicht erforderlich. Insoweit gelten dieselben Grundsätze wie bei einer Strafanzeige gegen einen Schädiger. Auch hier wird die Erstattungsfähigkeit der Kosten verneint, da eine Strafanzeige für die Durchsetzung des zivilrechtlichen Anspruchs nicht erforderlich ist (Oetker in: MünchKomm/BGB, 7. Aufl. 2016, § 249 Rn. 188).

 Die Ordnungsmittelandrohung folgt aus § 890 Abs. 2 ZPO. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.

 Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 14.01.2019 rechtfertigt den Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung nicht. Wie ausgeführt, kommt es auf den Türspion in der Wohnungstür des Klägers nicht an. Für den Rechtsstreit ist auch unerheblich, ob der Balkon der Wohnung des Klägers einen Mangel aufweist. Im Übrigen haben die Beklagten lediglich ihren Vortrag zur Funktionsweise der Videokamera wiederholt.

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