Laut Pressemitteilung vom 9. August 2016 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu der Frage geurteilt, wann eine unerweisliche wahre Tatsachenbehauptung verbreitet werden darf.
Behauptung nicht nachweisbar wahr
Dem Verfahren lag die Behauptung über eine namentlich benannte Sportlerin zugrunde, diese habe im Alter von 13 Jahren von ihrem damaligen Trainer das Dopingmittel Oral-Turinabol verabreicht bekommen. Die Wahrheit dieser Aussage hatte sich im Rahmen des auf Unterlassung gerichteten Verfahrens nicht nachweisen lassen.
Folglich hatten sowohl das LG Hamburg als auch das OLG Hamburg den Äußernden zur Unterlassung verurteilt. Hiergegen hatte dieser Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Das BVerfG hat nun – unter Verweis auf die Verletzung der Meinungsfreiheit des Äußernden – entschieden, dass die Auffassung der Hamburger Richter nicht tragfähig sei (Beschluss vom 28. Juni 2016, Az.: 1 BvR 3388/14).
Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht
Bei Tatsachenbehauptungen, die weder erweislich wahr noch erwiesenermaßen unwahr sind – der Wahrheitsgehalt sich folglich prozessual nicht feststellen lässt – habe eine Abwägungsentscheidung zwischen Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht zu erfolgen. In Fällen, in denen es um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit geht, solle eine nicht erweislich wahre Behauptung solange nicht untersagt werden können, wie zuvor hinreichend sorgfältig deren Wahrheitsgehalt recherchiert worden ist.
Hohe Anforderungen an den Umfang der Wahrheitsrecherche
Im konkreten Fall bedeutet dies noch nicht zwingend, dass eine Verpflichtung zur Unterlassung der Aussage abgewendet werden kann. Dies wird im Wesentlichen an den tatsächlich erfolgten Recherchen hängen, die nun geklärt werden müssen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Sorgfaltspflicht für Äußerungen der Presse strenger ist, als für Äußerungen von Privatpersonen. Gleichsam sind die Anforderungen an die Erfüllung der Pflicht zur sorgfältigen Recherche umso höher, je schwerwiegender die aufgestellte Behauptung in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen eingreift.
Pauschale Behauptung unwahrer Tatsachen weiterhin unzulässig
Die Entscheidung trägt der grundrechtlich gewährten Meinungs- und Pressefreiheit umfangreich Rechnung. Sie lässt jedoch – soweit sich dies aus der Pressemitteilung entnehmen lässt – keinen Zweifel, daran dass an der pauschalen Behauptung unwahrer Tatsachen im Sinne des Schutzes des Persönlichkeitsrechts weiterhin kein Interesse besteht.
(Quelle: Pressemitteilung Nr. 53/2016 vom 9. August 2016)