AGG-Hopping. Zwischen Recht und Wirklichkeit

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AGG Hopper suchen gezielt nach Anhaltspunkten für eine Diskriminierung in Einstellungsprozessen. Ziel der Bewerbung: Entschädigungszahlung.

„Wir suchen für unser junges Team eine sportliche Asiatin mit Konfektionsgröße bis 36. Wenn Sie jünger als 24 Jahre, konfessionslos und offen für die marxistisch-leninistische Idee sind, freuen wir uns auf Ihre aussagekräftige Bewerbung mit Ganzkörperfoto.“. 

So etwas geht natürlich nicht – und kommt in dieser Form wahrscheinlich auch wirklich selten vor. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierungen z. B. wegen der ethnischen Herkunft, des Alters oder einer Behinderung. Das fängt schon bei der Stellenausschreibung an. Bei Verstößen können abgelehnte Bewerber unter Umständen eine Entschädigung verlangen. Findige Köpfe wittern da ihre Chance und melden sich massenhaft auf Stellenausschreibungen, die Anhaltspunkte für eine Diskriminierung bieten. Wenn sie es eigentlich nur auf eine Entschädigung abgesehen haben, spricht man von AGG-Hoppern. Ein zuweilen großes Ärgernis für die betroffenen Arbeitgeber, das viel Zeit, Nerven und Geld kosten kann. 

Diskriminierung nicht erlaubt

Das AGG ist streng. Benachteiligungen wegen des Geschlechts, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder sexuellen Identität sollen verhindert werden. Gerichte befassen sich immer wieder mit der (tatsächlichen oder vermeintlichen) Diskriminierung von Bewerbern. Auslöser muss gar nicht so eine plumpe Stellenausschreibung sein, wie sie hier einleitend überspitzt dargestellt ist. Anhaltspunkte für eine Benachteiligung wegen des Alters können schon vorliegen, wenn der Arbeitgeber die Stellenausschreibung ausdrücklich nur an Bewerber im ersten Berufsjahr richtet. Auch die Anforderung, fließend Deutsch sprechen zu können, kann je nach Eigenart der Stelle eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft sein. Schließlich können das Auswahlverfahren oder ein Ablehnungsschreiben Hinweise darauf enthalten, dass in Wirklichkeit eines der verpönten Merkmale Grund für die Ablehnung ist.

Kann ein Bewerber Anhaltspunkte für eine Benachteiligung aufzeigen, die nach dem AGG nicht zulässig ist, kann es für Arbeitgeber teuer werden. Das AGG sieht einen Entschädigungsanspruch des abgelehnten Bewerbers vor (§ 15 Abs. 1 AGG). Bis zu 3 Monatsgehälter werden fällig, wenn der Bewerber auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Andernfalls könnte die Entschädigung sogar noch höher ausfallen.

AGG-Hopping auch nicht erlaubt

Es ist offensichtlich nicht im Sinne des Gesetzes, dass professionelle AGG-Hopper ihr Geschäftsmodell auf die Entschädigungszahlung ausrichten und massenweise Arbeitgeber mit Klagen überziehen. Das hat auch die Rechtsprechung erkannt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Jahr 2016 entschieden, dass ein Bewerber, der es eigentlich gar nicht auf die Stelle, sondern nur auf die Entschädigungszahlung nach dem AGG abgesehen hat, keine Zahlung verlangen kann. Die EU-Richtlinie, auf die das AGG zurückgeht, schütze Bewerber. Wer nur die Entschädigung im Blick habe, sei kein Bewerber, sondern handle rechtsmissbräuchlich. Um Bewerber zu sein, müsse man nämlich Zugang zu Beschäftigung anstreben.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte dem EuGH den Fall vorgelegt. Ein Rechtsanwalt mit einigen Jahren Berufserfahrung hatte sich auf eine Trainee-Stelle in einem Versicherungsunternehmen beworben und war abgelehnt worden. Die Stellenausschreibung richtete sich ausdrücklich nur an Berufseinsteiger, deren Studium nicht länger als ein Jahr zurücklag – möglicherweise also eine Diskriminierung wegen des Alters. Wegen einer ganzen Reihe an Ungereimtheiten im Verlaufe des Bewerbungsprozesses, war das BAG, wie auch die Vorinstanzen, zu der Erkenntnis gelangt, dass es der Rechtsanwalt gar nicht auf die Stelle, sondern nur auf die Entschädigung abgesehen hatte. Dem BAG war nicht klar, ob das ausreichte, um dem Bewerber die Entschädigung zu versagen. Der EuGH half und entschied gegen die Entschädigung. Das BAG wird dem aller Voraussicht nach folgen und die Klage des AGG-Hoppers abweisen.

In Wirklichkeit weiter Vieles unklar

Auf den ersten Blick also eine erfreuliche Entscheidung für den Arbeitgeber, der es mit einem AGG-Hopper zu tun hat. Die Instanzgerichte können sich darauf berufen und eine Entschädigung abweisen. Die Krux liegt aber in der Verteilung der Beweislast im Prozess: Der Bewerber muss zunächst nur Indizien beweisen, die für eine Diskriminierung sprechen. Das BAG verlangt seit neuestem immerhin, dass die Indizien „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ auf eine Diskriminierung schließen lassen (Vgl. BAG, Urt. v. 26.01.2017 – 8 AZR 736/15). Aber – ganz entscheidend – der Arbeitgeber muss das Gericht davon überzeugen, dass der Bewerber tatsächlich ein AGG-Hopper ist, also nur die Entschädigung im Blick hat. Die Hürde besteht vor allem darin, dass sich die Motive des Bewerbers zunächst in dessen Kopf abspielen. Wenn er sich geschickt verhält, wird es schwer für den Arbeitgeber. Er kennt den Bewerber in der Regel nicht und wird seine Mühe haben, den Beweis zu führen.

Die Entscheidung des EuGH gibt ihm nur sehr grobe Hilfestellungen dafür, worauf es am Ende ankommt. Hier werden weiterhin die Arbeitsgerichte gefragt sein. Anhaltspunkt für AGG-Hopping kann sein, dass der Bewerber gleichzeitig eine Vielzahl von Verfahren anstrengt, die sich im besten Fall auch noch auf ganz verschiedene Stellenprofile beziehen.

Objektive Eignung nicht relevant

Der Arbeitgeber kann sich aber nicht mit dem Argument behelfen, dass der Bewerber schon von seinem Profil her gar nicht für die ausgeschriebene Stelle geeignet sei. Das BAG hat in einem anderen Fall nämlich entschieden, dass ein Entschädigungsanspruch nicht schon daran scheitern könne, dass der Bewerber die geforderte Qualifikation nicht erfüllt (vgl. BAG, Urt. v. 19.05.2016 – 8 AZR 470/14). Wieder ging es um einen Rechtsanwalt. Der konnte die vom Arbeitgeber geforderten Noten nicht vorweisen und wurde (wohl unter anderem deshalb) abgelehnt. Das BAG entschied, dass der Kreis der vom AGG geschützten Bewerber nicht zu eng gefasst werden dürfe. Sonst werde das Schutzniveau zu weit abgesenkt. Wenn sich nur Bewerber auf den Schutz des AGG berufen könnten, die die vom Arbeitgeber selbst gesetzten objektiven Kriterien erfüllten, sei es praktisch unmöglich, die Rechte des Bewerbers durchzusetzen. Denn die Kriterien des Arbeitgebers sind nur sehr eingeschränkt überprüfbar. Das BAG entschied aber auch, dass die fehlende Eignung durchaus ein Anhaltspunkt dafür sein könne, dass der Bewerber ein AGG-Hopper ist und es in Wirklichkeit nur auf die Entschädigung abgesehen hat. Es verwies den Fall an das Landesarbeitsgericht (LAG) zurück. Dort wird nun der Arbeitgeber die schwierige Aufgabe haben nachzuweisen, dass es der Kandidat mit seiner Bewerbung nicht ernst gemeint hat.

Fazit

Das AGG-Hopping wird die Gerichte weiterhin beschäftigen. Die Entscheidung des EuGH schafft immerhin in rechtlicher Hinsicht Klarheit und erkennt AGG-Hopping ausdrücklich als Rechtsmissbrauch an. In tatsächlicher Hinsicht bleiben aber noch viele Fragen offen, die sich auch nicht pauschal beantworten lassen. Es wird – wie so oft im Arbeitsrecht – auf den Einzelfall ankommen. Mit Hilfe der Instanzgerichte kann sich über die Jahre eine umfangreiche Kasuistik entwickeln. Arbeitgeber werden die Entscheidungen der Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte im Blick behalten müssen, um sich gegen Klagen von AGG-Hoppern effektiv zur Wehr setzten zu können. Arbeitgeber sollten zudem ihren Einstellungsprozess von der Stellenausschreibung über das Auswahlverfahren bis zur Einstellung kritisch hinterfragen und möglichst diskriminierungsfrei gestalten. So mindern sie die Gefahr, einem AGG-Hopper in die Hände zu fallen. Wenn Sie mehr dazu wissen wollen, sprechen Sie uns gerne an. Wir beraten Sie und nehmen Ihre Prozesse genau unter die Lupe.

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Florian Wagenknecht

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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Hanna Schellberg

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