In den beiden Urteilen vom 10.01.2017 (Az.: VI ZR 561/15 und VI ZR 562/15) befasste sich der BGH ausführlich mit dem Thema, inwiefern sich der Aussagegehalt einer satirischen Äußerung innerhalb einer Satire-Show bestimme. Zur Erfassung des Aussagegehaltes müsse eine Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist.
Äußerungen in einer Satiresendung
Redakteure der Wochenzeitung „Die Zeit“ klagten gegen das ZDF auf Unterlassung von Äußerungen. Das ZDF hatte zuvor im April 2014 das Satireformat „Die Anstalt“ ausgestrahlt. In dieser Sendung war ein Dialog zwischen zwei Kabarettisten zu sehen, in dem es um die Frage der Unabhängigkeit von Journalisten bei dem Thema Sicherheitspolitik ging. Die Redakteure der Wochenzeitung waren der Überzeugung, in der getätigten Äußerung läge die Tatsachenbehauptung. Sie seien angeblich Mitglieder in Organisationen die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen. Zudem sei wahrheitswidrig behauptet worden, die Redakteure hätten an der Vorbereitung der Rede des Bundespräsidenten für die Sicherheitskonferenz mitgeholfen, über die sie im Anschluss sehr wohlwollend berichteten.
Die Bestimmung des Aussagegehaltes erfolgt im Gesamtzusammenhang
Nachdem das Oberlandesgericht das ZDF zu einer Unterlassung verurteilte, hob der BGH dieses Berufungsurteil auf und wies die Klage im Übrigen ab. Das Oberlandesgericht habe den Äußerungen der Satiresendung einen unzutreffenden Sinngehalt entnommen. Bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts haben die Kabarettisten die oben beschriebene Äußerung so nicht getätigt. So könne ihr Verhalten auch nicht verboten werden.
Zur Erfassung des Aussagegehaltes müsse eine Äußerung nämlich stets im Gesamtzusammenhang betrachtet werden.
Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrags sind zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu entkleiden.
Ausschlaggebend: Die Sicht eines durchschnittlichen Zuschauers
Bei einem satirischen Fernsehbeitrag ist ausschlaggebend, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der Eindrücke ankommt.
Die Äußerungen in der Satiresendung „Die Anstalt“ sei – bei Beachtung der vom BGH aufgezeigten Grundsätze – nur die Aussage zu entnehmen, dass zwischen den Redakteuren und den in der Sendung genannten Organisationen ein Verbindung bestehe. Diese Aussage ist auch wahr und somit eine zulässige Tatsachenbehauptung.
„Satire darf fast alles“
Auch nach Tucholskys berühmter Aussage 1919: „Was darf Satire? – Alles“, zeigt der BGH, dass der Satire durchaus klare Grenzen gesetzt sind. Äußerungen seien stets im Gesamtzusammenhang und aus der Sicht eines durchschnittlichen Adressaten zu betrachten. Trotzdem besteht ein weiter Wertungsspielraum bei der Beurteilung der Rechtslage, der den Eindruck erweckt Satire dürfe fast alles.