Ist eine Person im Rahmen eines Fahndungsaufrufs erkennbar und hat dem Aufruf nicht zugestimmt, ist eine solche Berichterstattung unzulässig. Etwas anderes ergibt sich nur dann, wenn der Fahndungsaufruf zuvor von einer Behörde veranlasst wurde; so die Richter des LG Frankfurt a.M. (Urteil v. 14.12.2017 – 3 O 270/17).
Damit ist die Berichterstattung von BILD.de im Zusammenhang mit den G20-Krawallen und einem damit verbundenen Fahndungsaufruf unzulässig. Ein solcher Aufruf greife in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein, wenn die Person auf dem abgebildeten Foto erkennbar ist und ohne Einwilligung auf Bildnissen unter der Überschrift „Gesucht! Wer kennt diese G20-Verbrecher? Sachdienliche Hinweise bitte an die nächste Polizeidienststelle […]“vor einer geplünderten Filiale eines Drogeriemarktes gezeigt wird.
Fahndungsaufruf: BILD.de sucht selbst nach G20-Tätern
Nach den G20-Krawallen versucht auch BILD.de sich an der Rechtsverfolgung zu beteiligen. Doch leider in einer rechtlich unzulässigen Weise. Auf ihrer Internetseite ruft sie im Rahmen eines Beitrags zu dem G20-Gipfel mehrfach zur Fahndung auf. Dabei heißt es unter anderem:
Mit Steinen, Molotow-Cocktails und Stahlgeschossen wurden Polizisten beim Hamburger G20-Gipfel von Kriminellen angegriffen. Wer kann die Verbrecher identifizieren? (…)
Wer kennt die Personen auf diesen Bildern? Sie sind dringend verdächtig, schwere Straftaten beim G20-Gipfel begangen zu haben. …
Der Wochenend-Einklau? Wasser, Süßigkeiten und Kaugummis erbeutet die Frau im pinkfarbenen T-Shirt im geplünderten Drogeriemarkt …
Die auf zwei Fotos vor einer geplünderten Filiale eines Drogeriemarktes gezeigte Klägerin erhob im Nachgang der Berichterstattung Klage gegen den Verlag; mit Erfolg.
LG Frankfurt a.M.: Abbildung verstoße gegen allgemeines Persönlichkeitsrecht
Nach Ansicht der Frankfurter Richter verstoße die Ablichtung der Bilder gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin und sei daher unzulässig. An dem G20-Gipfel bestünde zwar ein außerordentlich hohes Medieninteresse – gerade im Hinblick auf die Krawalle – allerdings rechtfertige dies noch nicht den Abdruck der Fotos im konkreten Einzelfall. Denn diese Art der Präsentation habe eine erhebliche und weitreichende Prangerwirkung.
Im Fall der Klägerin mit dem pinkfarbenen T-Shirt bestünde lediglich der Verdacht, dass diese „leichte“ Straftaten wie Diebstahl begangen habe. Dennoch werde sie in der Berichterstattung von BILD.de als Verbrecherin angeprangert. Durch die nachfolgende Berichterstattung über teils schwere Straftaten könne beim Leser der Eindruck entstehen, dass die abgebildete Person auch mit diesen Straftaten in Verbindung stehe (u.a. der Angriff von Menschen mittels Steinen und Molotow-Cocktails und Stahlgeschossen).
Interessenabwägung zugunsten der Klägerin
Die vom Gericht vorgenommene Interessenabwägung falle hier daher eindeutig zugunsten der Klägerin aus und der Fahndungsaufruf von BILD.de sei rechtwidrig.
Es ist anerkannt, dass der Presse bei der Berichterstattung einer von ihr möglicherweise ausgehenden Prangerwirkung bei identifizierender Berichterstattung besondere Zurückhaltung aufgegeben wird, was sich auch darin zeigt, dass strenge Anforderungen an das \“Ob\“ und \“Wie\“ der Berichterstattung zu stellen sind.