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Konfessionslos in der Kirche?

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EuGH: Kirchliche Arbeitgeber dürfen nur in bestimmten Fällen verlangen, dass Bewerber Mitglied in der jeweiligen Religionsgemeinschaft sind.

Wer als Pastor in der Kirche arbeitet, sollte wohl der jeweiligen Religionsgemeinschaft angehören. Soweit klar. Bislang galt das auch für viele Arbeitnehmer bei kirchlichen Arbeitgebern, deren Tätigkeit keinen oder nur geringen religiösen Bezug aufweisen. Betroffen sind z. B. Erzieher in der Kita, Lehrer an Schulen, Pfleger in Altenheimen oder auch Verwaltungsmitarbeiter in der Diakonie. Das könnte sich aber jetzt ändern. Der EuGH hatte heute über einen interessanten Fall zu entscheiden, der weitreichende Folgen haben könnte.

Mit Urteil vom 17. April 2018 hat der EuGH entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber als Bewerbungsvoraussetzung nicht zwangsläufig die Kirchenmitgliedschaft verlangen dürfen (Az.: C-414/16). Die Entscheidung kann weitreichende Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt, denn die Kirchen und kirchlichen Werke zählen hier zu Lande zu den größten Arbeitgebern. Die Konfession darf nach Ansicht der Richter nur dann verlangt werden, wenn der spätere Beruf mit dem Glaubensleitbild in Verbindung steht. Ist das nicht der Fall und wird von Bewerbern dennoch die Religionszugehörigkeit verlangt, kann dem Bewerber ein Anspruch auf Entschädigung zustehen.

Konfessionslose Berlinerin bei Bewerbungsverfahren des Evangelischen Werkes abgelehnt

Hintergrund der Entscheidung war der Fall einer konfessionslosen Bewerberin aus Berlin, Vera Egenberger. Sie hatte sich 2012 beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. Die Ausschreibung richtete sich ausdrücklich an Mitglieder der evangelischen Kirche. Inhaltlich ging es um ein Projekt im Bereich der Rassismusforschung. Es sollte ein Bericht zu einer Konvention der Vereinten Nationen zum Thema Rassismus erstellt werden. Frau Egenberger wurde abgelehnt, obwohl sie wohl von ihrer Qualifikation und Erfahrung sehr gut zu der Stelle gepasst hätte. Zu einem Vorstellungsgespräch war sie gar nicht erst eingeladen worden. Sie klagte sodann wegen religiöser Diskriminierung und forderte eine Entschädigung von knapp 10.000 €. Die Einrichtung hingegen berief sich auf das vom Grundgesetz geschützte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.

Bundesarbeitsgericht orientiert sich an Europäischen Grundlagen

Der Fall ging zunächst vor den deutschen Gerichten durch die Instanzen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) war der Auffassung, für die Entscheidung sei nicht nur das Grundgesetz maßgeblich, sondern insbesondere auch die Europäischen Grundlagen und Gesetze. Daher stellte das BAG eine Anfrage nach Luxemburg, um die einschlägigen EU-Richtlinien, namentlich die Antidiskriminierungsrichtlinie, auslegen zu lassen.

Nach den EU-Regelungen darf eine kirchliche Organisation von ihren Mitarbeitern und Bewerbern verlangen, dass sie bestimmte religionsbezogene Anforderungen erfüllen. Davon ist auch die Mitgliedschaft in der jeweiligen Religionsgemeinschaft erfasst. Das gilt aber auch nach der Europäischen Regelung nicht unbegrenzt. Derlei Anforderungen sind nur zulässig, wenn sie mit der Religion oder Weltanschauung im Zusammenhang steht. Erforderlich ist danach, dass die Religion oder Weltanschauung nach der Art der fraglichen Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung „eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt“.

Ist der Glaube ausschlaggebend für die Stellenvergabe?

Wie die drei Kriterien „wesentlich“, „rechtmäßig“ und „gerechtfertigt“ auszulegen sind, sollte der EuGH jetzt ermitteln. Frau Egenberger war der Ansicht, dass der Glaube für die Stelle gar keine Rolle spielte. Die Tätigkeit, einen Bericht über die Antirassismuskonvention zu erstellen, sei nicht zwingend mit dem Glauben verbunden – auch wenn sie dies für die Diakonie tuen sollte.

EuGH: Abwägung im Einzelfall vom Gericht überprüfbar

Der EuGH stellt nunmehr fest, dass zwischen dem Recht auf Autonomie der Kirchen einerseits und dem Recht der Arbeitnehmer, nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden, abzuwägen sei. Nur so könne ein angemessener Ausgleich hergestellt werden. Nach Auffassung des Gerichtshofs müsse eine solche Abwägung im Fall eines Rechtsstreits von einer unabhängigen Stelle und letztlich von einem innerstaatlichen Gericht überprüft werden können.

Eine Stellenausschreibung darf nach der Auffassung der Luxemburger Richter nur dann mit einer bestimmten Religion verknüpft werden, wenn das mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht. Die Anforderung muss also angemessen sein und darf nicht über das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche hinausgehen.Ob das so ist, entscheidet aber nicht der EuGH, sondern die nationalen Gerichte. Es bleibt also abzuwarten, wie das BAG die Sache jetzt bewertet.

Wir werden beobachten, wie sich vor dem Hintergrund dieser Entscheidung die Rechtsprechung in Deutschland entwickeln wir. Bewerber bei kirchlichen Arbeitgebern können unter Umständen mit Entschädigungen rechnen, wenn sie abgelehnt werden, weil sie nicht die geforderte Konfession haben.

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Florian Wagenknecht

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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Hanna Schellberg

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