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Recht am Bild: Handwerker dürfen zur Beweissicherung fotografiert werden

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LG Stade: Handwerker dürfen zur Beweissicherung fotografiert werden. Es besteht insoweit ein berechtigtes Interesse, welches gegenüber § 22 KUG überwiegt.

Das Landgericht Stade hat sich Anfang 2018 zum Recht am eigenen Bild geäußert (Az.: 2 S 20/17). Es stellte fest, dass Handwerker zur Beweissicherung fotografiert werden dürfen. Insoweit bestehe ein berechtigtes Interesse an der Beweissicherung, welche das Recht am eigenen Bild einer abgebildeten Person aus § 22 KUG überwiege. Somit schulde der Fotograf in einem solchen Fall weder Unterlassung noch „Schmerzensgeld“ in irgendeiner Form.

Ein Nachbarstreit mit Fotos

Der Entscheidung lag ein Nachbarstreit par excellence zugrunde. Die Eigentümer zweier Doppelhaushälften verfielen nach Dachdeckerarbeiten in einen tiefen Streit. Dabei waren Hauptthema die Dachdeckerarbeiten an den beiden Doppelhaushälften. Die Arbeiten am Dach waren lediglich von einer Eigentümerseite beauftragt, wurden allerdings an beiden Dächern ausgeführt. Nachdem sich die Parteien die Kosten teilen sollten, stellten die Bewohner der linken Doppelhaushälfte fest, dass die Kosten völlig überhöht waren. Obwohl die Rechnung des Dachdeckerbetriebes stundenlange Arbeiten mehrerer Dachdecker beinhaltete, sahen die Eigentümer der linken Hälfte während der Bauarbeiten nur einen Dachdecker auf dem Dach. Des Weiteren arbeitete er lediglich mit einer Leiter und nicht wie ausgewiesen mit einem teuren Gerüst am Haus der Parteien.

Dieser Streit ging so weit, dass sich im Anschluss ein Gericht mit dem Thema befassen durfte. Während dieses Prozesses mussten erneut Arbeiten am Dach der Parteien erledigt werden. Zur Beweissicherung – um nicht erneut eine überraschende Rechnung zu erhalten – fertigten die Eigentümer der linken Doppelhaushälfte Fotos von den Arbeiten und den arbeitenden Dachdeckern. Dabei waren diese auf einer Leiter auf dem Dach zu sehen. Abgebildet war der Dachdecker mit seinem ganzen Körper von hinten und teilweise im Profil.

Handwerker mahnt Fotografen ab und fordert „Schmerzensgeld“ – vergeblich

Nur kurze Zeit später erhielt der Fotograf eine Abmahnung im Namen eines ihm namentlich unbekannten Handwerkers. Dieser war der Meinung, sich auf den Fotos – welche zur Beweissicherung in den laufenden Gerichtprozess eingeführt wurden – wieder zu erkennen. Diese Einführung in den öffentlichen Gerichtsprozess stelle zugleich eine Veröffentlichung der Fotos dar. In diese habe er zu keinem Zeitpunkt eingewilligt. Aufgrund dessen stelle die Einführung der Fotos in den Prozess einen rechtswidrigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar.

Neben einer strafbewehrten Unterlassungserklärung forderte der Handwerker zur Wiedergutmachung des angeblichen immateriellen Schadens 1.500,00 EUR als „Schmerzensgeld“. Wie der Handwerker von den Fotos Kenntnis erlangte, ist bis dato unklar. Allerdings stammte die Abmahnung von dem gleichen Anwalt, der auch die Eigentümer der rechten Doppelhaushälfte im Gerichtsverfahren vertrat. Der Zweck der Abmahnung war daher klar: Die belastenden Fotos sollten aus dem Prozess entfernt werden.

Beweissicherung hat Vorrang vor dem Recht am eigenen Bild

Die Klage des Handwerkers vor dem AG Stade hatte allerdings keinen Erfolg. Der Handwerker konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass er die auf den Fotos erkennbare Person ist. Damit sei er erst gar nicht zur Klage aktivlegitimiert. Selbst wenn dies der Fall wäre, so scheide der eingeklagte Anspruch aus (AG Stade, Urteil v. 27.04.2017, Az.: 61 C 821/16).

Zwar stelle das Einreichen der Fotos bei dem Landgericht Stade in dem anhängigen Parallelrechtsstreit tatbestandlich ein Verbreiten der Fotos dar. Allerdings waren die Eigentümer der linken Doppelhaushälfte zur Wahrnehmung berechtigter Interessen berechtigt. Die Beweiszwecke seien nach Ansicht der Richter vorrangig gegenüber eventuellen Rechten am eigenen Bild der abgebildeten Person. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht am eigenen Bild des Klägers sei als äußerst niederschwellig anzusehen. Die Fotos greifen im Sinne der sogenannten Sphärentheorie lediglich in die Sozialsphäre des Klägers ein. Sie zeigen den Kläger nämlich nur in Ausführung seiner beruflichen Tätigkeit. Und diese Tätigkeit übt er überwiegend in von der Öffentlichkeit einsehbaren Bereichen aus. Selbst wenn man darin also einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers erblicke, so müssten die Interessen des Dachdeckers jedenfalls im Rahmen einer Interessenabwägung zu Gunsten der Interessen der Eigentümer zum Zwecke der Beweissicherung in dem genannten Parallelrechtsstreit zurücktreten.

Kein „Schmerzensgeld“ für Handwerker

Auch dem Ansinnen nach Schmerzensgeld erteilte das Gericht eine deutliche Absage. Der Anspruch auf Schmerzensgeld sei als Anspruch auf Zahlung einer geldwerten Entschädigung zu verstehen, scheide hier aber aus. Denn die Verletzung des Persönlichkeitsrechtes könne nur in Ausnahmefällen einen Anspruch auf Ersatz von immateriellen Schäden begründen. Schließlich vermöge nicht jede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Geldentschädigung auszulösen. Erforderlich wäre, dass der Eingriff sehr schwerwiegend sei und die Beeinträchtigung nicht anders aufgefangen werden könne.

Im vorliegenden Fall scheitere ein solcher Anspruch bereits am schwerwiegenden Eingriff der hier nicht vorliege, denn allein seine Sozialsphäre war vom Eingriff betroffen.

Das LG Stade bestätigte die Auffassung des Amtsgerichts in Form eines entsprechenden Hinweisbeschlusses und riet dem Handwerker in einem ausführlich begründeten Beschluss zu einer Rücknahme der Berufung. Diesem Hinweis folgte der Handwerker.

Anspruch auf Unterlassung ist stets eine Frage des Einzelfalls

Wie das Urteil des AG Stade deutlich macht, ist nicht jede unerwünschte Aufnahme gleich eine mit Folgen verbundene Persönlichkeitsrechtsverletzung. Es kommt stets auf die Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung ohne Einwilligung des Beklagten an. Aber auch eine solche kann nach Abwägung der Umstände im Einzelfall zulässig sein.

Ansprüche und Abmahnungen im Bereich des Rechts am eigenen Bild sind daher stets mit Vorsicht zu genießen. Oftmals ist die Rechtmäßigkeit daher leider erst auf den zweiten Blick durch geschulte Blicke eines Anwalts zu erkennen.

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