Das kirchliche Arbeitsrecht ist weiter in Bewegung. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und nun auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) haben wichtige Entscheidungen getroffen, die Mitarbeiter kirchlicher Arbeitgeber kennen sollten. Wir erklären die Entscheidungen hier.
Diskriminierung gerechtfertigt?
Dürfen kirchliche Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern verlangen, dass sie Mitglied der jeweiligen Religionsgemeinschaft sind? Im Fall der konfessionslosen Klägerin Egenberger hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Jahr 2016 hierzu eine Anfrage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gestellt, um die Antidiskriminierungsrichtlinie (Art. 4 II Richtlinie 2000/78/EG) auslegen zu lassen. Der EuGH hatte entschieden, dass die Religionszugehörigkeit nur unter bestimmten Voraussetzungen verlangt werden darf. Hierüber haben wir an anderer Stelle berichtet.
Das BAG hatte im Anschluss an die Entscheidung des EuGH zu klären, wie die Erörterungen des EuGH auf den konkreten Fall der Frau Egenberger anzuwenden sind. Hierzu hat es am 25.10.2018 (Az.: 8 AZR 501/14) ein Urteil gefällt.
Der Fall Egenberger kurz zusammengefasst
Vera Egenberger hatte geklagt, weil sie sich im Jahr 2012 auf eine Stelle bei einem Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland beworben hatte und nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden war. Mitglied der Evangelischen Kirche war sie nicht. Abgesehen davon erfüllte sie aber alle Anforderungen der Stellenausschreibung. Die Stelle wurde mit einem evangelischen Bewerber besetzt.
Frau Egenberger fühlte sich diskriminiert und forderte eine Entschädigung in Höhe von knapp 10.000 €.
Ansicht des EuGH
Der EuGH hatte entschieden, dass die Kirchen grundsätzlich besondere religionsbezogene Anforderungen an ihre Bewerber stellen dürfen. Allerdings, so der EuGH, sei das nur legitim, wenn eine ausreichende Rechtfertigung vorliegt. Die Religionszugehörigkeit müsse bezüglich der konkret ausgeübten Tätigkeit eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellen. Dies leitete der EuGH aus Art. 4 II Richtlinie 2000/78/EG her. Die deutsche Regelung des § 9 Abs. 1 Alt 1 AGG sieht einen solchen Vorbehalt erstmal nicht vor und steht nach Ansicht des EuGH deshalb nicht im Einklang mit europäischem Recht. Als Rechtfertigung für eine Benachteiligung könne die deutsche Regelung nur mit der Maßgabe herangezogen werden, dass die Regelung unionsrechtskonform ausgelegt wird.
Benachteiligung im Bewerbungsverfahren nicht nach § 9 I AGG gerechtfertigt
Das BAG hatte nun also die Frage zu beantworten, ob die Zugehörigkeit des Stelleninhabers/der Stelleninhaberin zur evangelischen Kirche für die Ausübung der ausgeschriebenen Tätigkeit eine wesentlich, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung darstellte. Das ist nach Ansicht der Richter aus Erfurt nicht der Fall.
Bei der ausgeschriebenen Stelle ging es hauptsächlich darum, herauszuarbeiten, wie die UN-Antirassismuskonvention in Deutschland umgesetzt wurde. Außerdem sollte der Stelleninhaber/die Stelleninhaberin die Diakonie Deutschland projektbezogen gegenüber Politik, Öffentlichkeit und Menschenrechtsorganisationen vertreten und in Gremien mitarbeiten.
Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin sollte dabei in einen internen Meinungsbildungsprozess beim Arbeitgeber eingebunden sein. In Fragen, die das besondere kirchliche Ethos des Arbeitgebers betrafen, sollte er oder sie gar nicht unabhängig handeln können.
Daraus folgt laut BAG, dass die berufliche Anforderung im konkreten Fall nicht gerechtfertigt war. Es bestehe keine besondere Gefahr dafür, dass das kirchliche Selbstverständnis beeinträchtigt würde, wenn ein Mitarbeiter die Stelle ausübt, der nicht evangelisch ist.
Das BAG sprach der Klägerin wegen dieser erheblichen Zweifel an der Wesentlichkeit der beruflichen Anforderung eine Entschädigung in Höhe von zwei Bruttomonatsverdiensten zu, also konkret knapp 4.000,00 €.
Revision nur Teilerfolg?
Im Hinblick auf die Höhe der Entschädigung ist das Urteil des BAG als Teilerfolg zu werten. Die Klägerin hatte 10.000 € gefordert und hat nun „nur“ knapp 4.000,00 € zugesprochen bekommen.
Im Hinblick auf die rechtlichen Auswirkungen der Entscheidung dürfte dieser Punkt aber nachrangig sein. Das BAG setzt die Vorgaben des EuGH konsequent um und schafft mit seinem Urteil einen Wegweiser für die zukünftige Rechtsprechung. Vor allem müssen kirchliche Arbeitgeber künftig sehr genau darauf achten, ob die Anforderungen, die sie an künftige Arbeitnehmer stellen, im konkreten Fall wirklich wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt sind.
Zum Teil – aber eben nur zum Teil – haben kirchliche Arbeitgeber ihre Einstellungspraxis bereits den neuen Bedingungen angepasst. Bewerber und Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen sollten weiterhin ein Auge hierauf haben. Sollte ein kirchlicher Arbeitgeber Mitarbeiter oder Bewerber wegen ihrer Religionszugehörigkeit oder wegen des Fehlens derselben benachteiligen, ohne dass dies durch die konkreten beruflichen Anforderungen der jeweiligen Aufgabe gerechtfertigt ist, können sie hiergegen vorgehen und ggf. eine Entschädigung einklagen.