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Die Mandelbrot-Debatte 

Über die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Algorithmen: Eine kontroverse Debatte, die ergebnislos seit den 1970ern geführt wird und große Zukunftsrelevanz aufweist.

Der Namensgeber der Debatte, Benoit Mandelbrot, ist vor allem bekannt als Begründer der Fraktalgeometrie, einem Bereich der Mathematik, der sich mit der Untersuchung von sich unendlich oft wiederholenden geometrischen Formen beschäftigt. Im Laufe seiner Karriere entwickelte Mandelbrot zahlreiche Algorithmen, die zur Berechnung dieser Fraktale verwendet werden können. Ein Algorithmus ist dabei eine genau definierte Abfolge von Schritten, die zur Lösung einer bestimmten Aufgabe verwendet werden – hier also zur Erzeugung eines Fraktals.  

In den 1970er Jahren kam erstmals die Diskussion auf, ob die von Mandelbrot verwendeten Fraktale als Ergebnis einer Rechenfolge urheberrechtlich geschützt werden können. Mandelbrot argumentierte, dass seine Algorithmen die dafür nötige Kreativität und Schöpfungshöhe aufweisen und deshalb auch urheberrechtlich geschützt werden sollten. 

Die Gegenseite argumentierte, dass es sich bei Algorithmen lediglich um mechanische Prozesse handele und deshalb eben keine kreativen Werke im Sinne des Urheberrechts anzunehmen seien.  

Eine abschließende Lösung des Konflikts ist bis heute nicht gefunden, da die Argumente beider Seiten nach wie vor berechtigt erscheinen.  

Die Rechtslage in Deutschland 

In Deutschland werden Algorithmen gelegentlich als „kreative Werke“ betrachtet und sind dann urheberrechtlich geschützt. Dies bedeutet, dass der Urheber eines Algorithmus das ausschließliche Recht hat, den Algorithmus zu nutzen und zu verbreiten. Allerdings gibt es auch hier einige Einschränkungen. Das Maß der erforderlichen Kreativität des Urhebers ist schwierig zu bemessen und die Schwelle zur Erreichung des urheberrechtlichen Schutzstandards recht hoch.  

Zum Beispiel sind solche Algorithmen nicht schutzfähig, die lediglich eine „idealtypische“ Lösung für ein Problem darstellen und keine konkrete Anweisung enthalten, wie das Problem tatsächlich gelöst werden kann. Auch Algorithmen, die auf bereits bekannten Regeln oder Verfahren basieren, sind nicht schutzfähig, da sie keine „individuelle geistige Schöpfung“ darstellen. Der tatsächliche Umfang des Urheberschutzes ist also für den konkreten Einzelfall zu bestimmen, eine pauschaleAntwort auf die Frage gibt es nicht. In den meisten Fällen wird jedoch davon ausgegangen, dass die nötige Schöpfungshöhe nicht erreicht wurde.  

Ein wichtiger Unterschied zwischen Algorithmen und anderen Arten von geistigem Eigentum, wie zum Beispiel Musikstücken oder Romanen, besteht darin, dass Algorithmen in der Regel wiederholt zur Erzeugung neuer Ergebnisse verwendet werden können, während die meisten anderen Arten von geistigem Eigentum nur einmal genutzt werden können. Dies macht es schwierig, die Verwendung von Algorithmen zu kontrollieren und ihren monetären Wert zu bestimmen. Die Einkünfte eines Urhebers können prinzipiell durch angemessene Lizenzierung geschützt werden, aber wonach sich die „Angemessenheit“ einer Lizenzgebühr bei Algorithmen bestimmt, ist ungeklärt.  

Schutz durch Geheimhaltung  

Problematisch ist ebenso, dass im Rahmen eines Urheber-Verletzungsprozesses der Algorithmus offengelegt werden müsste. Algorithmen aus dem Unternehmenskontext können in der Regel nicht über das UrhG, dafür aber im Rahmen des Geschäftsgeheimnisgesetzes geschützt werden. Je nach Anwendungsfall würde dieser Geheimnisschutz dann jedoch in einem Prozess verloren gehen. Konkurrierende Unternehmen könnten sich das so offenbarte Fachwissen aneignen und davon profitieren, ohne dass ein weiterer Schutzmechanismus im deutschen Recht dafür vorgesehen wäre.  

Eine solche Systematik würde den Missbrauch geradezu provozieren, da der Verletzer im Rahmen des Prozesses die internen Geheimhaltungsvorschriften des Konkurrenten umgehen könnte.  

Debatte mit Zukunft 

Die Debatte über die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Algorithmen in Deutschland zeigt, wie schwierig es ist, das Konzept des geistigen Eigentums in der digitalen Welt anzuwenden. Obwohl Algorithmen grundsätzlich kreative Werke sein können, gibt es zahlreiche Einschränkungen und Ausnahmen. Die Schwelle zum Schutzgut des Urhebergesetzes ist hoch, für die meisten der Algorithmen greifen die Schutzechanismen des UrhG nicht.    

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtlage in Bezug auf Algorithmen in Zukunft entwickeln wird. Die Anforderungen der digitalen Welt mit den Rechten von Algorithmus-Urhebern in Einklang zu bringen, dürfte dabei. die größte Hürde darstellen. Gleichzeitig muss die Nutzung der Algorithmen für die Gesellschaft praktikabel bleiben.   

Insbesondere in Zeiten von steigender „Intelligenz” von Künstlicher Intelligenz hatdiese Debatte zunehmende Relevanz , sofern keine eindeutige juristische Regelung gefundenwurde. Für den urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen – die das Ergebnis zahlreicher Algorithmen sind – statuiert der § 69a UrhG explizit seit 1993: „Computerprogramme werden geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien, insbesondere nicht qualitative oder ästhetische, anzuwenden“.  

BGH: Monopolisierung von Ideen vermeiden 

Der BGH hat sich bisher geweigert, neue absolute Urheberrechte aufzunehmen. Softwareunternehmen wie IBM und Microsoft haben eine dahingehende Schutzbereichsausweitung des UrhG im Bereich der IT bereits versucht, sind allerdings an der Haltung des BGH gescheitert (BGH, Urteile v. 24.02.2000 – I ZR 141/97 und v. 06.07.2000 – I ZR 244/97).  

Zentraler Aspekt der bundesgerichtlichen Argumentation ist es, dass eine Monopolisierung von Ideen um jeden Preis vermieden werden müsse. Technischer Fortschritt würde durch zu starken Urheberschutz an Algorithmen oder einfachen Programmen deutlich verlangsamt werden.   

Inwieweit der BGH seine Position in Zukunft ändern wird, bleibt abzuwarten. Dass die Problematik sich jedoch nicht von allein beseitigen wird, steht fest. Je mehr technische Fortschritte im Zusammenhang mit computergenerierten Ergebnissen erzielt werden, desto größer wird auch das Bedürfnis nach Rechtsschutz für die jeweiligen „Urheber“.  

Themenschwerpunkt KI & Urheberrecht

In unserem Themenschwerpunkt „KI & Urheberrecht“ beschäftigen wir uns mit den urheberrechtlichen Aspekten aktueller Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Bislang im Rahmen dieser Reihe erschienen sind Einführungen zu den Anwendungen ChatGPT sowie die Verwendung von KI-Kunst, eine Übersicht über die Nutzungsbedingungen und Trainingsdaten beliebter KI-Bildgeneratoren und die im Rahmen der rechtlichen Diskussion geführte Mandelbrot-Debatte. Die Sorgen und Befürchtungen der Presseverleger beleuchten wir im Beitrag „Leistungsschutzrecht und KI“ und gehen in einem gesonderten Artikel der grundlegenden Frage nach, ob KI Urheber sein kann.

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Dennis Tölle

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