Annahmeverzug: Auskunftsansprüche von Arbeitgebern über Bewerbungsbemühungen ihrer Mitarbeiter

Bei Streit um den Annahmeverzug eines Mitarbeitenden kommt die Frage auf, wann Arbeitgeber von Mitarbeitenden Auskünfte über Bewerbungsbemühungen verlangen können.

Im Fall des Annahmeverzugs können Arbeitgeber* gemäß aktueller Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Köln nur begrenzte Auskunftsansprüche gegenüber ihren Mitarbeitern geltend machen. Insbesondere dann, wenn die Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs möglicherweise neue Beschäftigungsmöglichkeiten böswillig ignoriert haben, stellt sich für viele Arbeitgeber die Frage, ob sie Auskunft über die Bewerbungsbemühungen verlangen können.

Was ist Annahmeverzug im Arbeitsrecht?

Annahmeverzug tritt ein, wenn ein Arbeitgeber aufgrund einer unwirksamen Kündigung keine Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer abruft, jedoch weiterhin den Lohn zahlen muss. In dieser Zeit ist der Arbeitnehmer verpflichtet, mögliche Einkünfte aus anderen Quellen offenzulegen, um eine Anrechnung auf den Annahmeverzugslohn zu ermöglichen. Diese Verpflichtung umfasst jedoch nur begrenzte Auskünfte.

Umfang der Auskunftspflichten des Arbeitnehmers

Laut Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln (Az. 8 Sa 793/22) besteht keine allgemeine Pflicht des Arbeitnehmers, über alle unternommenen Bewerbungsbemühungen umfassend Auskunft zu geben. Ein Auskunftsanspruch über „alle“ Bewerbungen, die der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs eingeleitet hat, überschreitet das zulässige Maß und führt zu einer unzumutbaren Belastung. Der Arbeitnehmer muss lediglich auf Nachfrage des Arbeitgebers Informationen zu den von der Agentur für Arbeit vorgeschlagenen Vermittlungsangeboten geben.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln stützt sich in den Urteilsgründen auf wesentliche Prinzipien des Arbeitsrechts und insbesondere auf die Grenzen, die das Bundesarbeitsgericht für Auskunftsansprüche festgelegt hat. Zu den entscheidenden Gründen gehören:

1. Einschränkung durch den Grundsatz von Treu und Glauben

Der Anspruch auf Auskunft über Bewerbungsbemühungen ist eng an den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebunden. Ein Arbeitgeber darf Auskunft nur dann verlangen, wenn er berechtigte und konkrete Gründe hat, die im Zusammenhang mit den Ansprüchen auf Annahmeverzugslohn stehen. Eine pauschale Verpflichtung des Arbeitnehmers, jede Bewerbung offenzulegen, ohne dass ein konkreter Verdacht besteht, dass der Arbeitnehmer böswillig anderweitige Erwerbsmöglichkeiten ignoriert hat, widerspricht Treu und Glauben.

2. Begrenzung auf Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit

Das Gericht stellte klar, dass Auskunftspflichten des Arbeitnehmers nur insoweit bestehen, als sie auf die Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters beschränkt sind. Wenn dem Arbeitnehmer durch die Agentur passende Stellenangebote unterbreitet werden, ist er verpflichtet, diese ernsthaft zu prüfen und sich darauf zu bewerben, sofern sie zumutbar sind. Nur über diese Bewerbungen kann der Arbeitgeber im Nachgang Auskunft verlangen. Eigeninitiativ durchgeführte Bewerbungen fallen nicht unter diese Pflicht, es sei denn, besondere Umstände erfordern dies.

3. Verbot der Überlastung des Arbeitnehmers mit umfassenden Auskunftspflichten

Ein weiteres wichtiges Argument des Gerichts bezieht sich auf den Schutz des Arbeitnehmers vor einer unverhältnismäßigen Belastung durch weitreichende Auskunftspflichten. Eine detaillierte Auskunft über jede unternommene Bewerbung, jeden Bewerbungsprozess und dessen Fortgang würde eine umfangreiche Dokumentations- und Berichtspflicht für den Arbeitnehmer bedeuten. Das Gericht entschied, dass solche umfassenden Anforderungen nicht verhältnismäßig sind und die Rechte des Arbeitnehmers übermäßig einschränken würden.

4. Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch

Der Arbeitgeber muss nicht nur ein Informationsinteresse nachweisen, sondern auch darlegen können, dass konkrete Vermittlungsmöglichkeiten bestanden, die der Arbeitnehmer eventuell böswillig unterlassen haben könnte. Nur in diesen Fällen kommt ein abgestufter Auskunftsanspruch infrage. Die bloße Möglichkeit oder Vermutung, dass der Arbeitnehmer sich eigenständig beworben hat oder dies unterlassen haben könnte, reicht nicht aus, um einen rechtlich bindenden Auskunftsanspruch zu begründen.

Zusammengefasst hat das Landesarbeitsgericht Köln mit diesem Urteil deutlich gemacht, dass die Auskunftspflichten des Arbeitnehmers bei Annahmeverzug Grenzen haben und dass der Arbeitgeber diese Grenzen bei einer entsprechenden Anforderung beachten muss. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die für eine potenzielle Pflichtverletzung des Arbeitnehmers sprechen, besteht ein Anspruch auf spezifische Auskünfte – und selbst dann nur in einem genau abgesteckten Rahmen, der eine ausgewogene Beweisführung und Wahrung der Arbeitnehmerrechte ermöglicht.

Dies schützt Arbeitnehmer davor, detaillierte Berichte über sämtliche Bewerbungsversuche und deren Ergebnisse abgeben zu müssen, sofern es keine besonderen Gründe gibt. Diese Grundsätze unterstreichen die Balance zwischen den Informationsinteressen des Arbeitgebers und dem Schutz des Arbeitnehmers vor übermäßigen Verpflichtungen.

Fazit für Arbeitgeber: Grenzen der Informationspflicht im Annahmeverzug

Arbeitgeber sollten beachten, dass ein Auskunftsanspruch über Bewerbungsbemühungen der Mitarbeiter nur dann besteht, wenn nachweislich Vermittlungsvorschläge von der Agentur für Arbeit vorliegen, die den Arbeitnehmer in eine zumutbare Tätigkeit bringen könnten. Für Eigeninitiativen des Arbeitnehmers ohne konkrete Jobangebote besteht hingegen keine umfassende Auskunftspflicht. In der Praxis sollten Arbeitgeber daher gut abwägen, welche Auskünfte tatsächlich erforderlich sind und sich auf Fälle beschränken, in denen ein berechtigtes Informationsinteresse besteht.

Relevanz für Unternehmen

Dieses Urteil bietet Arbeitgebern Leitlinien, wie sie im Annahmeverzug verfahren sollten, um rechtssicher und effizient zu agieren. Gerade für Unternehmen, die mit Annahmeverzugslohnforderungen konfrontiert sind, ist die Kenntnis über die Auskunftsgrenzen wichtig, um unberechtigte Ansprüche zu vermeiden, ohne die Rechte der Arbeitnehmer zu verletzen.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich aus Gründen der Lesbarkeit wird auf andere Schreibweisen verzichtet.

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Florian Wagenknecht

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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Hanna Schellberg

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