Nunmehr entscheidet der BGH (Urteil vom 11.11.2014, Az.: VI ZR 9/14), dass beim Vorliegen einer konkludenten Einwilligung des Teilnehmers einer öffentlichen Veranstaltung in die Aufnahme und Verbreitung seiner Bildnisse i.S.v. § 22 S.1 KUG dahin stehen kann, ob die Erfordernisse und Ausnahmen des § 23 Abs. 1 und Abs. 2 KUG eingreifen oder nicht.
Ein Eventportal wird zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert
Auf der Veranstaltung „Casting Company-Abriss-Party“ hat eine Promotion-Agentur Hostessen engagiert, welche den Gästen als Aktionsware Zigaretten anbieten sollten. Gastgeberin des Events war eine Teilnehmerin der Fernsehshow „Germany’s next Topmodel“. Viele prominente Gäste waren eingeladen. Aus diesem Grund landeten Fotos von der Party auf einem Eventportal. Nachdem einer der Hostessen ihr Foto auf der Webseite gesehen hat, ließ sie den Eventportalbetreiber anwaltlich abmahnen und begehrte die Unterlassung der Fotoverbreitung sowie Erstattung der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 775,64 €. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gab der Eventportalbetreiber daraufhin eine Unterlassungserklärung ab, verweigerte aber die Erstattung der Rechtsanwaltskosten.
Umfang und Reichweite des Promotion-Auftrags
Das umstrittene Foto zeigt, wie die Hostess im Auftrag der Promotion-Agentur einem unbekannten Gast aus einem Korb Zigaretten anbietet, wobei in der Bildüberschrift verschiedene anwesende prominente Gäste namentlich genannt werden.
Der Hostess wurde im Vorfeld Informationsmaterial mit Hinweisen zu ihrer Tätigkeit ausgehändigt. Hiernach wurden Interviews ausdrücklich untersagt, Fotoaufnahmen mit Gästen zwecks Werbung seien dagegen aber gestattet. Die Info-Materialien enthielten auch “Beispielbilder für die Fotodokumentation”, auf denen lächelnde Hostessen mit Zigarettenkorb zusammen mit anderen Personen abgebildet waren. Eventuelle Kamerateams seien freundlich an die Öffentlichkeitsabteilung der Promotion-Agentur oder dessen Auftraggebers zu verweisen.
Die konkludente Einwilligung: Bilderveröffentlichungen sind zulässig, wenn der Abgebildete vorab über die bestehende Möglichkeit informiert wurde
Der 6. Zivilsenat hält die Veröffentlichung des Bildnisses für rechtmäßig i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Aus diesem Grund wird der Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG abgelehnt.
Grundsätzlich ist die Zulässigkeit der Veröffentlichung vom Fotomaterial nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen. Diese ist dann gegeben, wenn der Abgebildete seine Einwilligung erteilt hat oder wenn ein zeitgeschichtliches Ereignis vorliegt, so dass die Einwilligung entbehrlich ist. Diese Ausnahme greift nicht ein, wenn berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt sind. Dieses Konzept entspricht sowohl den verfassungsrechtlichen Erfordernissen, als auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Der 6. Zivilsenat nimmt Stellung zu der Frage, ob ein zeitgeschichtliches Ereignis i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gegeben sei und bejaht dies. Das legitime Informationsinteresse der Öffentlichkeit erstrecke sich nicht allein auf die prominenten Teilnehmer, sondern auch auf die weiteren Umstände der Veranstaltung, wie im vorliegenden Fall. Für die Presse sei es schwer bei größeren Veranstaltungen prominenten von nichtprominenten Teilnehmern zu unterscheiden. Zudem ließe es sich nicht vermeiden, dass auch Servicepersonal bei den Foto- und Filmaufnahmen zu sehen sei.
Vor allem aber die Tatsache, dass die Hostess im Vorfeld der Veranstaltung von ihrem Arbeitgeber durch Informationsmaterial über die Art ihrer Tätigkeit informiert wurde, ist für BGH ein Indiz dafür, dass sie mit Fotos auch ihrer Person und deren Veröffentlichung rechnen musste. Dies sei aus Werbegründen von ihrem Arbeitgeber und dessen Auftraggeber sogar erwünscht. Sowohl die Art der Veranstaltung und als auch das Vertragsverhältnis mit der Hostess sind für BGH Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einer Fotoveröffentlichung hätte rechnen können. Diese Umstände führen das Gericht zu der Annahme, dass eine konkludente Einwilligung der Hostess in die Bilderveröffentlichung gemäß § 22 Satz 1 KUG vorlag, so dass es dahinstehen konnte, ob die streitgegenständliche Bildveröffentlichung auch ohne Einwilligung der Hostess zulässig gewesen wäre.
Datenschutzrechtler sehen die Entscheidung des BGH kritisch
Die Entscheidung hat unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzrechts für Besorgnis gesorgt und hat auch Kritik geerntet. Obwohl das Urteil sehr plausibel erscheint und § 22 Abs. 1 KUG zwar eine konkludente Einwilligung zulässt, stellt das Fotografieren einer Person und die Verbreitung der Bildnisse eine Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des Datenschutzrechts dar. Daher sei eine Einwilligung des Betroffenen nach § 4 a BDSG erforderlich. Diese bedarf gemäß § 4 a BDSG der Schriftform.
Daher sehen die strengeren Stimmen unter den Datenschutzrechtlern beim vorliegenden Fall keinen Anlass für eine Ausnahme vom Grundsatz. Insbesondere die Tatsache, dass der Vertrag zwischen der Hostess und der Agentur schriftlich abgeschlossen wurde, sollte ausreichend für die Annahme sein, dass auch die Einwilligung schriftlich i.S. des § 4 a BDSG erfolgen sollte, so die Kritiker.
Bei Eventfotografie ist weiterhin Vorsicht geboten
Verbreitet wird die Auffassung vertreten, dass beim Anfertigen, bei der Verarbeitung und Verbreitung von Fotomaterial, die Normen des Kunsturhebergesetzes die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes verdrängen.
Zwar handelt es sich beim Bundesdatenschutzgesetz um ein Auffanggesetz, so dass es grundsätzlich von speziellen Regelungen verdrängt werden kann, vgl. § 1 Abs. 3 BDSG. Voraussetzung dafür ist eine Gleichheit zwischen den beiden Regelungen (sog. Tatbestandskongruenz). Eine solche besteht zwischen dem Bundesdatenschutzgesetz und dem Kunsturhebergesetz jedoch nicht. Soweit in § 22 Abs. 1 S.1 KUG klar geregelt ist, dass sich die nachfolgenden Normen auf die Verbreitung und das Zurschaustellen (d.h. die weitere Nutzung) von Bildnissen beziehen, unterliegt das Anfertigen (d.h. Aufnahme, Speichern, Übersenden und Vervielfältigen) der Bilder dem Datenschutzgesetz. Dies bedeutet, dass bei Fragen bezüglich der Einwilligung die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes zumindest ergänzend herangezogen werden müssen.
Obwohl die neue höchstrichterliche Rechtsprechung positive Tendenzen für die Eventfotografie zu verzeichnen scheint, ist dies mit Vorsicht zu genießen. Wer Wert auf die ordnungsgemäße Gestaltung seiner Internetplattform oder sonstige Informationsquelle legt, dem ist weiterhin zu empfehlen, vor der Fotoveröffentlichung die Einwilligung der abgebildeten Person (schriftlich) einzuholen.