Auf Vorlage des polnischen Obersten Gerichtshofs hat der EuGH mit Urteil vom 25. Januar 2017 (C‑367/15) entschieden, dass der Schadensersatz bei einem Urheberrechtsverstoß die dreifache Höhe einer angemessenen Vergütung betragen darf.
Die polnische nationale Regelung verstoße insbesondere nicht gegen die Enforcement-Richtlinie (Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums).
Umstrittene polnische Generalklausel
Aufhänger des Streites vor dem EuGH war die Frage der Zulässigkeit einer nationalen polnischen Regelung zum Urheberrecht.
Nach polnischem Recht können Urheber bei einem Urheberrechtsverstoß vom Verletzer Schadensersatz verlangen, der in der Höhe das Dreifacher einer üblichen und angemessenen Vergütung beträgt. Urheber müssen darüber hinaus keinen Zusammenhang zwischen der urheberrechtlichen Verletzung und dem konkret entstandenen Schaden nachweisen.
Die aus dem deutschen Recht bekannte Voraussetzung der „Kausalität“ zwischen Verletzung und Schaden ist im polnischen Recht nicht zu überprüfen.
Vereinbarkeit des doppelten Lizenzschadens mit der Enforcement-Richtlinie
Der EuGH entschied, dass die polnische Norm mit dem europäischen Recht vereinbar ist.
Der Europäische Gerichtshof stützt seine Entscheidung darauf, dass lediglich ein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung den Urheber im Falle einer Rechtsverletzung nur unzureichend entschädige:
„So ist festzustellen, dass im Fall der Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums die bloße Zahlung der hypothetischen Vergütung nicht geeignet ist, eine Entschädigung für den gesamten tatsächlich erlittenen Schaden zu garantieren […]“
Zwar gleiche die Zahlung einer angemessenen Vergütung den entstandenen Schaden aus, nicht aber die darüber hinaus entstandenen Unannehmlichkeiten. Eine Schadensersatzsumme die weit über der angemessenen Vergütung liegt dürfe allerdings nicht rechtsmissbräuchlich werden.
Strafzuschlag: Schadensersatz als Strafe zulässig
Weiter führt der EuGH aus, dass der Erwägungsgrund 26 der Enforcement-Richtlinie die Mitgliedsstaaten nicht dazu zwingt, eine Norm im nationalen Recht zu schaffen, die eine Strafzahlung bei Urheberrechtsverletzungen legitimiere.
Im Umkehrschluss zeigt der EuGH aber auch deutlich auf, dass es den Mitgliedsstaaten nicht ausdrücklich untersagt sei, eine solche gesetzliche Regelung zu verabschieden.
Zulässigkeit des doppelten Schadensersatzes bei Urhberrechtsverletzungen in Deutschland
Das Urteil des EuGH hat nicht nur Auswirkungen auf das polnische Recht. Auch für das deutsche Urheberrecht hat die Entscheidung eine erhebliche Bedeutung.
Der Urheber hat bei der Nutzung seines Werkes einen Anspruch auf Urhebernennung. Wird eine solche Urhebernennung nicht vorgenommen, so wird dem Geschädigten regelmäßig ein Aufschlag von bis zu 100% gewährt (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2015 – I ZR 148/13).
Grund für einen Aufschlag ist in Deutschland der entgangene Werbewert. So wird ein 100 prozentiger Aufschlag nur dann gewährt, wenn die Nutzung des Werkes eine Werbung für den Urheber gewesen wäre. Oftmals wird hiergegen eingewendet, dass der Aufschlag einer im deutschen Recht unzulässigen Strafzahlung nahe komme und aufgrund dessen unzulässig sei.
Mit dem neuen Urteil des EuGH dürfte dieses Argument in Zukunft – zumindest auf europäischer Ebene betrachtet – hinfällig sein. Der EuGH macht ganz klar deutlich, dass nicht nur eine Verdopplung des Schadensersatzes rechtmäßig sei, sondern sogar eine Verdreifachung möglich sei. Und dies nicht nur unter Betrachtung des entgangenen Werbewertes, sondern eben auf Grundlage einer Strafzahlung.
Weitreichende Auswirkung des EuGH-Urteils auf das deutsche Recht
Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs sollte es in Zukunft für deutsche Urheber leichter sein, einen Schadensersatzanspruch zu erwirken, der über der angemessenen Lizenz liegt. Die Ablehnung der hohen Forderungen mit dem Hinweis auf die Unzulässigkeit von Strafzahlungen wird in Zukunft jedenfalls eingeschränkt.
Im Ergebnis hielt der EuGH fest:
„Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach der Inhaber des verletzten Rechts des geistigen Eigentums von der Person, die dieses Recht verletzt hat, entweder die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens – bei der sämtliche für den Anlassfall maßgebenden Aspekte zu berücksichtigen sind – oder, ohne den tatsächlichen Schaden nachweisen zu müssen, die Zahlung einer Geldsumme verlangen kann, die dem Doppelten der angemessenen Vergütung entspricht, die für die Erteilung der Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Werks zu entrichten gewesen wäre, nicht entgegensteht.“