Mit Urteil vom 20. Februar 2018 hat der BGH entschieden, dass ein Ärzte-Bewertungsportal das Profil einer Ärztin löschen muss (Urteil v. 23. September 2014 – VI ZR 358/13). Indem das Bewertungsportal zwischen normalen Nutzern und kostenpflichtigen „Premium-Nutzern“ unterscheide, verlasse es seine Rolle als „neutraler Informationsmittler“. Dadurch überwiege nach der erforderlichen Abwägung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bezüglich aller personenbezogenen Daten.
Ärztesuchportal bietet kostenpflichtiges Premium-Paket
Jameda.de ist ein Arztsuche- und Arztbewertungsportal. Auf diesem werden Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei zur Verfügung gestellt. Enthalten sind für jeden Arzt die sogenannten „Basisdaten“ wie der akademische Grad, Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, Kontaktdaten und die Sprechzeiten. Daneben bietet das Portal auch einen Bewertungsbereich, indem Kundenbewertungen direkt neben den Basisdaten angezeigt werden.
Bei den Nicht-Premium-Nutzern werden auf der Profilseite zusätzlich zu den Bewertungen und Basisdaten noch Vorschläge („Anzeigen“) zu anderen Arztpraxen mit denselben Fachbereichen und der entsprechenden Bewertung im Umfeld angezeigt.
Für die Ärzte besteht die Möglichkeit, ein kostenpflichtiges „Premium-Paket“ zu buchen. In diesem Fall wird – anders als bei den kostenfreien Profilen – den Nutzern die Möglichkeit gegeben, Bilder und zusätzliche Informationen hinzuzufügen. Zusätzlich schaltet das Portal sodann keine Anzeigen mehr von Konkurrenten auf den Profilseiten der Premium-Nutzer.
Dermatologin beantragt die Löschung ihres normalen Nutzerprofils
Eine Dermatologin und Allergologin ging bereits seit 2015 gegen die Plattform vor. Als Nichtzahlerin wird sie gegen ihren Willen ohne Bild, aber dafür mit allen weiteren Basisdaten, in dem Portal geführt. Auch erhielt sie in der Vergangenheit eine Vielzahl von Bewertungen, welche sie teilweise durch ihren Rechtsanwalt beanstanden und löschen ließ um ihre Gesamtnote zu verbessern. Der Aufforderung zur Löschung ihres Profils kam der Portalbetreiber allerdings nicht nach.
Das LG Köln sowie das OLG Köln räumten der Meinungs- und Medienfreiheit des Portalbetreibers den Vorrang ein. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Klägerin müsse im Rahmen einer Abwägung zurücktreten.
BGH: Anspruch der Ärztin auf Löschung ihres Profils
Gegen diese Ansicht sprach sich nun allerdings der BGH mit klaren Worten aus. Der vorliegende Fall unterscheide sich von allen bisher entschiedenen Fällen. Auch wenn die Speicherung der personenbezogenen Daten von Ärzten mit den dazugehörigen Bewertungen durch die Patienten grundsätzlich zulässig sei, sei der Portalbetreiber von jameda.de zur Löschung des Profils der Dermatologin verpflichtet.
Jameda.de sei kein neutrales Ärztesuche und -bewertungsportal
Durch das Angebot von „Premium-Paketen“ verlasse die Plattform ihre Stellung als „neutraler Informationsmittler“. Den Ärztesuchenden wird zu keinen Zeitpunkt klar, dass das Portal zwischen „Premium-Nutzern“ und normalen Nutzern unterscheide. Nehme sich der Portalbetreiber aber in dieser Weise zugunsten ihres Werbeangebots in der Rolle als neutraler Informationsmittler zurück, dann könne er seine auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit gestützte Rechtsposition gegenüber dem Recht der Dermatologin auf informationelle Selbstbestimmung auch nur mit geringerem Gewicht geltend machen.
Dies wiederum führe dazu, dass im Rahmen einer Abwägung dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Vorrang zu gewähren sei. Ihr sei demnach auch ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung ihrer Daten (im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG a.F.) zuzubilligen.
Das Urteil des BGH stellt einen wichtigen Präzedenzfall für den Umgang mit personenbezogenen Daten in Bewertungsportalen dar. Indem der BGH die Löschung des Profils der Dermatologin anordnet, setzt er ein Zeichen dafür, dass der Schutz der informationellen Selbstbestimmung in Fällen, wo ein vermeintlich neutrales Portal durch Premium-Angebote wirtschaftliche Interessen verfolgt, stärker zu gewichten ist. Für Plattformbetreiber wie Jameda.de bedeutet dies, dass sie ihre Rolle als Informationsmittler kritisch hinterfragen und transparent gestalten müssen. Sobald wirtschaftliche Interessen – etwa durch Premium-Profile – in den Vordergrund treten, verliert das Portal seine Neutralität und kann damit nicht mehr uneingeschränkt die Meinungs- und Medienfreiheit als Argument anführen. Durch die Schaltung von Konkurrenzanzeigen nur bei Nichtzahlern und die individuelle Profilgestaltung bei Premium-Nutzern entsteht ein verdeckter wirtschaftlicher Druck, der die Freiwilligkeit der Teilnahme infrage stellt. Gerade im sensiblen Bereich der Gesundheitsdienstleistungen und des Vertrauensschutzes ist eine strikte Trennung zwischen neutralen Informationen und werblichen Angeboten entscheidend. Das BGH-Urteil zeigt, dass Datenschutz und Transparenz in Bewertungsportalen dringend notwendige Schwerpunkte sind und stärkt damit das Recht der betroffenen Personen, über ihre digitalen Profile selbst zu bestimmen.