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BGH, Urteil vom 31.10.2018 – I ZR 73/17

Bei der Faserbezeichnung von Jogginhosen darf der Bestandteil "Baumwolle" auch als "cotton" bezeichnet werden, gleichwohl er nicht in der Textilkennzeichnungsverordnung (TextilKennzVO) enthalten ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts München – 6. Zivilsenat – vom 23. März 2017 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels aufgehoben, soweit hinsichtlich des Zahlungsantrags zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I – 17. Kammer für Handelssachen – vom 16. Juni 2016 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Zinsen aus dem Zahlungsanspruch erst ab dem 23. Februar 2016 zu zahlen sind.

Die Kosten der Revision werden der Klägerin auferlegt.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte vertreibt Bekleidung. Im Jahr 2016 verkaufte sie über die Verkaufsplattform „amazon.de“ an Verbraucher in Deutschland Jogginghosen der Marke „R. „. Auf den Verpackungen und dem Etikett der Jogginghosen gab sie deren textile Zusammensetzung mit „52% Cotton, 40% Polyester, 8% Acrylic“ an.

Die Klägerin stellt Bekleidung her. Sie meint, die Angaben auf den Etiketten der von der Beklagten verkauften Jogginghosen verstießen gegen die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 über die Bezeichnungen von Textilfasern und die damit zusammenhängende Etikettierung und Kennzeichnung der Faserzusammensetzung von Textilerzeugnissen (Textilkennzeichnungsverordnung – TextilKennzVO). Danach seien die Verbraucher in Deutschland über die Textilfasern in einem Erzeugnis mit einem Textilfaseranteil von mindestens 80% unter Verwendung der Faserbezeichnungen zu informieren, die in der deutschen Fassung des Anhangs I der Textilkennzeichnungsverordnung aufgeführt seien. Die von der Beklagten verwendeten Bezeichnungen „Cotton“ und „Acrylic“ seien in der deutschen Fassung dieses Anhangs nicht genannt.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht beantragt, der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland Verbrauchern Hosen, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, bereitzustellen, wenn die in diesen Hosen jeweils enthaltenen Textilfasern nicht leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar durch Etiketten oder eine Kennzeichnung anhand der in der deutschen Fassung des Anhangs I zur Textilkennzeichnungsverordnung aufgeführten Textilfaserbezeichnungen gekennzeichnet werden.

Darüber hinaus hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.044,40 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu verurteilen, die der Klägerin durch die der Klage vorangegangene Abmahnung entstanden sind.

Das Landgericht hat der Klage mit diesen Anträgen stattgegeben.

In der Berufungsinstanz, in der die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt hat, hat die Klägerin die Bestätigung des Urteils des Landgerichts mit der Maßgabe beantragt, dass der Beklagten verboten wird, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland Verbrauchern Hosen, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, bereitzustellen, wenn hierbei nicht die in diesen Bekleidungsgegenständen jeweils enthaltenen Textilfasern anhand der Textilfaserbezeichnungen benannt werden, welche in der deutschen Fassung des Anhangs I zur Textilkennzeichnungsverordnung aufgezählt werden, insbesondere wenn dies geschieht wie folgt:

Das Berufungsgericht hat dem von der Klägerin in zweiter Instanz gestellten Unterlassungsantrag unter Weglassung des Wortes „insbesondere“ vor den Wörtern „wenn dies geschieht wie folgt:“ und dem Zahlungsantrag in Höhe von 522,20 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Klageabweisungsantrag der Beklagten stattgegeben.

Soweit es den weitergehenden Zahlungsantrag der Klägerin abgewiesen hat, hat es die Revision zugelassen.

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre vor dem Berufungsgericht erfolglos gebliebenen Klageanträge weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag trotz des von der Klägerin im zweiten Rechtszug angefügten „insbesondere wenn …“-Zusatzes als nicht hinreichend bestimmt angesehen und ihn deshalb in seinem Urteil auf die konkrete Verletzungsform ohne den Zusatz „insbesondere“ beschränkt.

In der Sache hat es den Unterlassungsantrag unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Rechtsbruchs als begründet angesehen, weil zwar nicht die Verwendung der Bezeichnung „Cotton“, wohl aber die des Begriffs „Acrylic“ einen spürbaren Verstoß gegen die Textilkennzeichnungsverordnung darstelle und damit die insgesamt angegriffene Kennzeichnung unzulässig sei. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten sei nur zur Hälfte begründet, weil die von der Klägerin ausgesprochene Abmahnung nur insoweit berechtigt gewesen sei, als die Klägerin die Verwendung der Bezeichnung „Acrylic“ beanstandet habe. Soweit die Klägerin die Verwendung der Bezeichnung „Cotton“ beanstandet habe, sei die Abmahnung dagegen unberechtigt gewesen, weil zwar ein Verstoß gegen die Textilkennzeichnungsverordnung vorgelegen habe, nicht aber eine spürbare Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher.

Soweit der Berufungssenat hier hinsichtlich der Verwendung der Bezeichnung „Cotton“ anders als der 29. Senat des Oberlandesgerichts München im Urteil vom 18. Februar 2016 – 29 U 2899/15, juris einen spürbaren Verstoß im Sinne von § 3a UWG verneint habe, sei die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Da das vorliegende Urteil allerdings nur im Hinblick auf den als teilweise unbegründet angesehenen Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten auf dieser Abweichung beruhe, sei auch die Zulassung der Revision entsprechend beschränkt worden.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin ist auch insoweit zulässig, als sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht die Klage mit dem von der Klägerin im zweiten Rechtszug gestellten Unterlassungsantrag teilweise abgewiesen hat; die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Zulassung der Revision auf die Frage, ob die Klägerin ihre gesamten Abmahnkosten erstattet verlangen kann, ist unwirksam (dazu unter II 1). Die danach insgesamt als zugelassen zu behandelnde Revision ist unbegründet, soweit die Klägerin sich mit ihr gegen die Abweisung der Klage mit dem in zweiter Instanz gestellten, nicht auf die konkrete Verletzungsform bezogenen Unterlassungsantrag wendet (dazu unter II 2). Erfolg hat die Revision dagegen, soweit die Klägerin mit ihr den vom Berufungsgericht abgewiesenen Teil ihres Zahlungsantrags weiterverfolgt (dazu unter II 3).

1. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision ist nicht wirksam. Damit ist die für die Klägerin zugelassene Revision als insgesamt zugelassen anzusehen.

a) Eine auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkte Zulassung der Revision ist zulässig und damit wirksam, wenn der von dieser Beschränkung betroffene Teil des Streits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig vom übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch nach einer möglichen Zurückverweisung der Sache kein Widerspruch zum unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Allerdings muss es sich dabei nicht um einen eigenen Streitgegenstand handeln, und muss der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz nicht teilurteilsfähig sein; zulässig ist auch eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2017 – I ZR 39/15, GRUR 2017, 702 Rn. 17 = WRP 2017, 962 – PC mit Festplatte I, mwN; Beschluss vom 21. September 2017 – I ZR 230/16, ZUM 2018, 182 Rn. 10 = MMR 2018, 310; Beschluss vom 10. April 2018 – VIII ZR 247/17, WRP 2018, 710 Rn. 20 f. mwN).

Für die Frage, ob die Beschränkung der Revisionszulassung nach diesen Grundsätzen wirksam ist, kommt es aus Gründen der Rechtsmittelklarheit auf den Zeitpunkt der beschränkten Zulassung der Revision an. Die Frage, ob eine Partei gegen ihre Verurteilung Revision einlegen kann, darf nicht – nachträglich – davon abhängen, ob gegen die Entscheidung von ihr oder einer anderen Partei Revision eingelegt worden ist (BGH, ZUM 2018, 182 Rn. 12).

b) Nach diesen Maßstäben war die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Zulassung der Revision auf die teilweise Abweisung der Klage mit dem Zahlungsantrag nicht wirksam.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision begründete für den maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen jedenfalls insoweit, als es danach möglich war, dass zwar nicht die Klägerin die vom Berufungsgericht zugelassene Revision einlegte, aber eine Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zur Zulassung der Revision führte, soweit das Berufungsgericht dem Unterlassungsantrag im angefochtenen Urteil teilweise stattgegeben hat. In diesem Fall wäre ein Widerspruch zwischen der Entscheidung über den Zahlungsantrag und der Entscheidung über den Unterlassungsantrag aufgetreten, wenn das Revisionsgericht anders als das Berufungsgericht angenommen hätte, dass der Unterlassungsantrag begründet sei, weil der in der Verwendung der Bezeichnung „Cotton“ liegende Verstoß gegen die Textilkennzeichnungsverordnung die Interessen der Verbraucher spürbar beeinträchtige. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – liegt bereits dann vor, wenn die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen besteht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (BGH, Urteil vom 23. September 2015 – I ZR 78/14, GRUR 2015, 1201 Rn. 26 = WRP 2015, 1487 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot; Urteil vom 21. November 2017 – VI ZR 436/16, NJW 2018, 623 Rn. 7, jeweils mwN).

2. Die Klägerin wendet sich mit ihrer danach insgesamt zulässigen Revision vergeblich dagegen, dass das Berufungsgericht ihren in zweiter Instanz gestellten Unterlassungsantrag durch die Streichung des in ihm enthaltenen Wortes „insbesondere“ auf die in den drei Abbildungen gezeigte konkrete Verletzungsform beschränkt hat.

a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der erste Teil des von der Klägerin in zweiter Instanz gestellten Unterlassungsantrags („es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland Verbrauchern Hosen, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, bereitzustellen, wenn hierbei nicht die in diesen Bekleidungsgegenständen jeweils enthaltenen Textilfasern anhand der Textilfaserbezeichnungen benannt werden, welche in der deutschen Fassung des Anhangs I zur Textilkennzeichnungsverordnung aufgezählt werden“) nicht hinreichend bestimmt ist, weil er sich im Wesentlichen in der Wiedergabe des Wortlauts dieser Verordnung erschöpft. Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, sind grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 – I ZR 81/10, GRUR 2012, 945 Rn. 16 = WRP 2012, 1222 – Tribenuronmethyl, mwN).

b) Das Berufungsgericht hat weiterhin angenommen, der dem ersten Teil des Unterlassungsantrags beigefügte Zusatz („insbesondere wenn dies geschieht wie folgt“) könne dem unbestimmten Klageantrag nicht die nötige Bestimmtheit verleihen. Mit dem Zusatz werde lediglich ein Beispielsfall angeführt, ohne dass damit die Merkmale des begehrten Verbots hinreichend bestimmt benannt würden. Der Urteilsausspruch sei damit auf die konkrete Verletzungsform ohne den Zusatz „insbesondere“ zu beschränken, weil das Begehren der Klägerin so aufzufassen sei, dass sie jedenfalls diese Verhaltensweise verboten haben möchte. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

aa) Der mit „insbesondere“ eingeleitete Teil eines Unterlassungsantrags kann zwei Funktionen haben: Zum einen kann er der Erläuterung des in erster Linie beantragten abstrakten Verbots dienen, indem er beispielhaft verdeutlicht, was unter der im abstrakten Antragsteil genannten Verletzungsform zu verstehen ist. Zum anderen kann der Kläger auf diese Weise deutlich machen, dass Gegenstand seines Begehrens nicht allein ein umfassendes, abstrakt formuliertes Verbot ist, sondern dass er, falls er damit nicht durchdringt, jedenfalls die Unterlassung des konkret beanstandeten Verhaltens begehrt (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2012, 945 Rn. 22 – Tribenuronmethyl; BGH, Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 50/14, GRUR 2016, 705 Rn. 13 = WRP 2016, 869 – ConText, jeweils mwN).

bb) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der mit „insbesondere“ eingeleitete Teil des Unterlassungsantrages im Streitfall nicht – entsprechend der ersten Funktion eines so gefassten Antrags – geeignet war, beispielhaft zu verdeutlichen, was unter der im abstrakten Antragsteil genannten Verletzungsform im Einzelnen zu verstehen war, weil die abstrakten Merkmale des begehrten Verbots auch durch die beispielhafte Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform nicht hinreichend bestimmt wurden. Es hat ferner rechtsfehlerfrei angenommen, die Klägerin habe mit dem Zusatz – entsprechend der zweiten Funktion eines so gefassten Antrags – deutlich gemacht, dass sie jedenfalls ein Verbot des konkret beanstandeten Verhaltens erstrebe. Es hat den Unterlassungsantrag daher mit Recht durch Streichung des Zusatzes abgewiesen, soweit er über die konkrete Verletzungsform hinausging (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 – I ZR 61/14, GRUR 2016, 516 Rn. 41 = WRP 2016, 581 – Wir helfen im Trauerfall, mwN).

3. Die Revision der Klägerin ist dagegen begründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage mit der Hälfte des Zahlungsantrags richtet; insoweit führt sie zur weitergehenden Stattgabe der Klage. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die von der Klägerin ausgesprochene Abmahnung sei nur teilweise berechtigt gewesen, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Eine Abmahnung ist berechtigt im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, wenn sie begründet ist, ihr also ein materiellrechtlicher Unterlassungsanspruch zugrunde liegt, und sie außerdem wirksam sowie erforderlich ist, um dem Unterlassungsschuldner einen Weg zu weisen, den Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – I ZR 47/09, GRUR 2010, 354 Rn. 8 = WRP 2010, 525 – Kräutertee; Urteil vom 19. Mai 2010 – I ZR 140/08, GRUR 2010, 1120 Rn. 16 = WRP 2010, 1495 – Vollmachtnachweis; Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 199/10, GRUR 2013, 307 Rn. 28 = WRP 2013, 329 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung; vgl. weiter – zu § 97a Abs. 1 UrhG aF – BGH, Urteil vom 24. November 2016 – I ZR 220/15, GRUR 2017, 617 Rn. 10 = WRP 2017, 705 – WLAN-Schlüssel, mwN).

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten sei nur zur Hälfte begründet, weil die von der Klägerin ausgesprochene Abmahnung nur zur Hälfte berechtigt gewesen sei. Die Abmahnung sei nur insoweit berechtigt gewesen, als die Klägerin die Verwendung der Bezeichnung „Acrylic“ beanstandet habe. Soweit die Klägerin die Verwendung der Bezeichnung „Cotton“ beanstandet habe, sei die Abmahnung dagegen unberechtigt gewesen, weil zwar ein Verstoß gegen die Textilkennzeichnungsverordnung vorgelegen habe, aber keine spürbare Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher. Unschädlich sei demgegenüber, dass die der Beklagten mit der Abmahnung übersandte vorformulierte Unterlassungserklärung zu weit gefasst gewesen sei, denn die Formulierung der Unterwerfungserklärung sei grundsätzlich Sache des Unterlassungsschuldners. Diese Beurteilung hält einer Nachprüfung nicht stand.

c) Das Berufungsgericht ist allerdings rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Verwendung der Bezeichnung „Cotton“ zwar gegen die Textilkennzeichnungsverordnung verstößt, nicht aber die Interessen der Verbraucher spürbar beeinträchtigt.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, bei den im Streitfall maßgeblichen Regelungen der Textilkennzeichnungsverordnung handele es sich um dem Schutz der Verbraucher dienende Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG. Die Kennzeichnung der von der Beklagten vertriebenen Hosen mit der Bezeichnung „Cotton“ verstoße gegen Art. 5 Abs. 1 TextilKennzVO, wonach für die Beschreibung der Faserzusammensetzungen auf Etiketten und Kennzeichnungen von Textilerzeugnissen allein die Textilfaserbezeichnungen nach Anhang I der Verordnung zu verwenden seien, und gegen Art. 16 Abs. 3 TextilKennzVO, wonach die Etikettierung oder Kennzeichnung in der Amtssprache des Mitgliedsstaates zu erfolgen habe, in dessen Hoheitsgebiet die Textilerzeugnisse dem Verbraucher bereitgestellt würden. Die Bezeichnung „Cotton“ sei im Anhang I der Textilkennzeichnungsverordnung nicht aufgeführt; vielmehr wäre nach Nummer 5 dieses Anhangs I die Bezeichnung „Baumwolle“ zu verwenden gewesen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

bb) Das Berufungsgericht hat weiterhin angenommen, die Verwendung der Faserbezeichnung „Cotton“ beeinträchtige die Interessen der Verbraucher nicht spürbar im Sinne von § 3a UWG (ebenso auch schon OLG München [6. Zivilsenat], GRUR-RR 2017, 11, 16 = WRP 2017, 250 [juris Rn. 80 bis 87]; aA OLG München [29. Zivilsenat], Urteil vom 18. Februar 2016 – 29 U 2899/15, juris Rn. 28). Der Begriff „Cotton“ habe sich in der deutschen Umgangssprache als beschreibende Angabe für Baumwolle eingebürgert. Da der angesprochene Durchschnittsverbraucher diesen Begriff daher ohne weiteres als Baumwolle verstehe, sei der mit seiner Verwendung einhergehende Verstoß gegen die Textilkennzeichnungsverordnung nicht geeignet, den Durchschnittsverbraucher zu einer anderenfalls nicht getroffenen geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen. Nichts Abweichendes folge auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach in Fällen, in denen den Verbrauchern Informationen vorenthalten würden, die das Unionsrecht als wesentlich einstufe, zugleich das Erfordernis der Spürbarkeit als erfüllt anzusehen sei. Mit der Verwendung der Faserbezeichnung „Cotton“ würden dem angesprochenen Verbraucher keine wesentlichen Informationen vorenthalten, da er diese Bezeichnung ohne weiteres im Sinne von „Baumwolle“ verstehe.

cc) Die Revision macht demgegenüber geltend, bei den Angaben zur Stoffzusammensetzung von Bekleidungsstücken handele es sich um Informationen, die die Werbung und damit die kommerzielle Kommunikation beträfen und dem Verbraucher nach der unionsrechtlichen Textilkennzeichnungsverordnung nicht vorenthalten werden dürften. Derartige Informationen seien nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken und § 5a Abs. 4 UWG stets als wesentlich im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG und § 5a Abs. 2 UWG anzusehen. Würden Informationen vorenthalten, die das Unionsrecht als wesentlich einstufe, folge hieraus nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3a UWG erfüllt sei. Damit hat die Revision keinen Erfolg.

(1) Der Senat hat allerdings unter der Geltung des § 5a Abs. 2 UWG aF verschiedentlich angenommen, das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 UWG aF sei ohne weiteres erfüllt, wenn dem Verbraucher Informationen vorenthalten würden, die das Unionsrecht als wesentlich einstufe. Er hat daran jedoch unter der Geltung des mit Wirkung vom 10. Dezember 2015 geänderten § 5a Abs. 2 UWG nicht festgehalten. Die Voraussetzungen des dort geregelten Unlauterkeitstatbestands, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene wesentliche Information „je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen“ und „deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“, stellen nach § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UWG zusätzliche Tatbestandsmerkmale dar, die als solche selbständig geprüft werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2017 – I ZR 41/16, GRUR 2017, 922 Rn. 31 = WRP 2017, 1081 – Komplettküchen; Urteil vom 5. Oktober 2017 – I ZR 232/16, GRUR 2018, 438 Rn. 36 = WRP 2018, 420 – Energieausweis; Urteil vom 18. Oktober 2017 – I ZR 84/16, GRUR 2018, 324 Rn. 24 = WRP 2018, 324 – Kraftfahrzeugwerbung).

(2) Für das Erfordernis der Spürbarkeit im Sinne von § 3a UWG gilt nichts anderes. Besteht der Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung darin, dass dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten wird, ist dieser Verstoß nur dann spürbar im Sinne von § 3a UWG, wenn er die ihm vorenthaltene wesentliche Information je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(3) Den Unternehmer, der geltend macht, dass der Verbraucher – abweichend vom Regelfall – eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und dass das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, trifft insoweit allerdings eine sekundäre Darlegungslast. Der Verbraucher wird eine wesentliche Information im Allgemeinen für eine informierte Kaufentscheidung benötigen. Ebenso wird, sofern im konkreten Fall keine besonderen Umstände vorliegen, grundsätzlich davon auszugehen sein, dass das Vorenthalten einer wesentlichen Information, die der Verbraucher nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er bei der geboten gewesenen Information nicht getroffen hätte (BGH, GRUR 2017, 922 Rn. 32 bis 34 – Komplettküchen).

(4) Nach diesen Maßstäben erweist sich die Beurteilung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerfrei. Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Begriff „Cotton“ in der deutschen Umgangssprache als beschreibende Angabe für „Baumwolle“ eingebürgert. Die Mitglieder des Berufungsgerichts gehören zu den angesprochenen Verkehrskreisen. Sie haben für ihre Feststellung zudem auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 27. September 1995 – I ZR 199/93, GRUR 1996, 68, 69 – COTTON LINE [juris Rn. 20]) und des Bundespatentgerichts (Beschluss vom 2. März 2004 – 27 W [pat] 254/03, juris Rn. 10) verwiesen. Die dort vorgenommene Beurteilung, die Bezeichnung „Cotton“ sei für „Baumwolle“ eine beschreibende Angabe und gehöre zur deutschen Umgangssprache, ist nicht auf das Kennzeichenrecht beschränkt, sondern allgemeingültig. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht auf den Duden verwiesen. Versteht der angesprochene Durchschnittsverbraucher den verwendeten Begriff „Cotton“ ohne weiteres als „Baumwolle“, benötigt er diese Information für eine informierte Kaufinformation nicht in deutscher Sprache. Das Vorenthalten dieser Information ist daher nicht geeignet, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er bei Angabe des Begriffs „Baumwolle“ nicht getroffen hätte.

d) Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, dass eine Abmahnung immer schon dann nur teilweise berechtigt ist und daher auch nur zu einem Anspruch auf Erstattung eines Teils der für sie erforderlichen Aufwendungen führt, wenn mit ihr ein bestimmtes Verhalten unter mehreren Gesichtspunkten beanstandet worden ist und sie sich nicht unter allen diesen Gesichtspunkten als zutreffend erweist.

aa) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Abmahnung nicht deshalb teilweise unberechtigt war, weil die der Beklagten mit der Abmahnung übersandte vorformulierte Unterlassungserklärung zu weit gefasst war. Eine Abmahnung ist zwar nur berechtigt, wenn sie dem Schuldner den Weg weist, wie er sich zu verhalten hat, damit ein Prozess vermieden wird. Dementsprechend muss die Abmahnung die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung enthalten. Es ist aber unschädlich, wenn der Gläubiger mit der von ihm vorgeschlagenen Unterwerfungserklärung mehr fordert, als ihm zusteht; denn es ist Sache des Schuldners, aufgrund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben (BGH, Urteil vom 16. November 2006, GRUR 2007, 607 Rn. 24 = WRP 2007, 775 – Telefonwerbung für „Individualverträge“).

bb) Die Abmahnung ist aber auch nicht deshalb teilweise unberechtigt, weil der Unterlassungsanspruch, den die Klägerin mit der Abmahnung im Hinblick auf die Verwendung der Bezeichnungen „Acrylic“ und „Cotton“ auf den beanstandeten Etiketten der Beklagten auf der Grundlage der §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit den Bestimmungen der Textilkennzeichnungsverordnung geltend gemacht hat, mangels einer spürbaren Beeinträchtigung der Interessen von Verbrauchern durch die Verwendung der Bezeichnung „Cotton“ lediglich im Blick auf die gleichzeitige Verwendung der Bezeichnung „Acrylic“ begründet ist.

(1) Wendet sich der Gläubiger in einer Abmahnung gegen ein konkret umschriebenes Verhalten (wie etwa eine bestimmte Werbeanzeige), das er unter mehreren Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig beanstandet, sind die für die Abmahnung anfallenden Kosten bereits dann in vollem Umfang ersatzfähig, wenn sich der Anspruch unter einem der genannten Gesichtspunkte als begründet erweist. In einer solchen Konstellation hat sich die Abmahnung – unabhängig davon, welcher Gesichtspunkt den Anspruch begründet – als objektiv nützlich und zur Streiterledigung geeignet erwiesen. Ist die Abmahnung nach einem der angeführten Gesichtspunkte begründet, handelt es sich deshalb nicht um eine nur teilweise berechtigte Abmahnung, für die Kostenerstattung nur im Umfang des teilweise begründeten Unterlassungsanspruchs zu leisten ist (zur auf mehrere Zeichenrechte gestützten Abmahnung vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2016 – I ZR 254/14, GRUR 2016, 1301 Rn. 66 f. = WRP 2016, 1510 – Kinderstube).

(2) Anders kann es zu beurteilen sein, wenn der Gläubiger die einzelnen Beanstandungen zum Gegenstand gesonderter Angriffe macht. So kann es sich etwa verhalten, wenn der Kläger im Hinblick auf verschiedene Werbeaussagen in einer Werbeanzeige gesonderte Unterlassungsansprüche geltend macht. In einem solchen Fall ist die Abmahnung nur insoweit berechtigt und sind die Kosten der Abmahnung einem Mitbewerber nur insoweit zu ersetzen, wie die einzelnen Beanstandungen begründet sind. Die Höhe des Ersatzanspruchs ist dann nach dem Verhältnis der auf die einzelnen Verstöße entfallenden Gegenstandswerte zu bestimmen, wobei sich die Höhe der Anteile nach dem Verhältnis der auf die einzelnen Verstöße entfallenden Gegenstandswerte bemisst (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – I ZR 149/07, GRUR 2010, 744 Rn. 50 und 52 = WRP 2010, 1023 – Sondernewsletter; Urteil vom 11. März 2010 – I ZR 27/08, GRUR 2010, 935 Rn. 41 = WRP 2010, 1249 – Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel).

(3) Die Frage, ob ein Gläubiger, der sich in einer Abmahnung gegen ein konkret umschriebenes Verhalten wendet, das er unter mehreren Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig beanstandet, die einzelnen Beanstandungen zum Gegenstand gesonderter Angriffe macht, ist durch Auslegung der Abmahnung zu beantworten. Zur Auslegung der Abmahnung kann eine der Abmahnung beigefügte, vom Gläubiger vorformulierte Unterwerfungserklärung herangezogen werden. Dem steht nicht entgegen, dass es grundsätzlich Sache des Schuldners ist, die Unterwerfungserklärung zu formulieren. Das ändert nichts daran, dass die vom Gläubiger vorformulierte Unterwerfungserklärung das Ziel seiner Abmahnung zum Ausdruck bringt und daher zu deren Auslegung herangezogen werden kann.

(4) Nach diesen Maßstäben kann die Klägerin die ihr im Streitfall entstandenen Abmahnkosten in voller Höhe von der Beklagten erstattet verlangen. Die Klägerin hat mit ihrer Abmahnung unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform die Verwendung der Angabe „52% Cotton, 40% Polyester, 8% Acrylic“ auf den Verpackungen und den Etiketten der von der Beklagten angebotenen Jogginghosen wegen Verstoßes gegen die Textilkennzeichnungsverordnung beanstandet. Sie hat demnach die Unterlassung der Verwendung dieser Angabe insgesamt und nicht etwa zum einen die Unterlassung der Verwendung der Angabe „Cotton“ und zum anderen die Unterlassung der Verwendung der Angabe „Acrylic“ begehrt. Damit hat sich die Abmahnung – unabhängig davon, dass lediglich die Verwendung der Angabe „Acrylic“ den Anspruch begründet – als objektiv nützlich und zur Streiterledigung geeignet erwiesen. Ihre Kosten sind daher in vollem Umfang zu ersetzen.

e) Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht angenommen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch nicht bereits ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage, sondern erst ab dem Zeitpunkt begründet ist, zu dem die Beklagte die Abweisung der Klage beantragt hat, weil sie erst zu diesem Zeitpunkt die Erfüllung des Anspruchs ernsthaft und endgültig verweigert hat (BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 – I ZR 106/11, GRUR 2013, 925 Rn. 59 = WRP 2013, 1198 – VOODOO; Urteil vom 9. Juli 2015

– I ZR 224/13, GRUR 2015, 1021 Rn. 34 = WRP 2015, 1214 – Kopfhörer-Kennzeichnung, jeweils mwN).

III. Danach ist auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels aufzuheben, soweit hinsichtlich des Zahlungsantrags zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Zinsen aus dem Zahlungsanspruch erst ab dem 23. Februar 2016 zu zahlen sind. Für eine Änderung der vom Berufungsgericht getroffenen Kostenentscheidung besteht ebenso wenig Anlass wie für eine Belastung der Beklagten mit einem Teil der Kosten der Revision (vgl. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Koch Schaffert Löffler Feddersen Schmaltz

Vorinstanzen:

LG München I, Entscheidung vom 16.06.2016 – 17 HKO 1614/16 –

OLG München, Entscheidung vom 23.03.2017 – 6 U 3385/16 –

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Dennis Tölle

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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