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Arbeitnehmerrechte in der Insolvenz

Nach airberlin, jetzt auch die Germania. Alle Versuche, die Airline zu retten, sind gescheitert. Das nehmen wir zum Anlass und beleuchten, was die Insolvenz eines Unternehmens für dessen Arbeitnehmer bedeutet.

Im ersten Teil des Beitrags gehen wir darauf ein, was Insolvenz eigentlich bedeutet, wie ein Insolvenzverfahren abläuft und wie Arbeitnehmer trotz Insolvenz an ihr Geld kommen. 

In einem zweiten Teil wird es dann darum gehen, unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer aufgrund einer Insolvenz ihres Arbeitgebers gekündigt werden können und welche Möglichkeiten sie im Fall einer Kündigung haben. 

Was war im Fall Germania passiert? 

Anfang Januar waren finanzielle Schwierigkeiten bei der Airline Germania bekannt geworden. Die Januar-Gehälter konnten nur mit Verzögerung an die Mitarbeiter ausgezahlt werden. Am 4. Februar hat die Germania schließlich einen Insolvenzantrag gestellt. Anschließend versuchte der Insolvenzverwalter, einen Käufer zu finden, der die angeschlagene Airline übernimmt. Trotz zahlreicher Interessenten ist der Versuch gescheitert. Den rund 1.700 Mitarbeitern der Airline droht nun die Kündigung. Der Fall zeigt exemplarisch, welche Arbeitnehmerrechte in der Insolvenz zum Tragen kommen und welche Maßnahmen Mitarbeiter ergreifen sollten.

Was bedeutet Insolvenz? 

Insolvenz bedeutet zunächst nur, dass ein Unternehmen oder eine Privatperson seine Rechnungen nicht mehr fristgerecht bezahlen kann. Wenn das der Fall ist, muss ein förmliches Insolvenzverfahren eingeleitet werden, um sicherzustellen, dass die Gläubiger – soweit noch möglich – ihr Geld erhalten. Alle Gläubiger sollen gemeinschaftlich befriedigt, also die verbleibenden Vermögenswerte möglichst gleichmäßig verteilt werden (§ 1 InsO). 

Gläubiger eines Unternehmens sind z.B. Lieferanten, Kunden, Geschäftspartner, Vermieter etc. Für Arbeitnehmer von Bedeutung: Wenn ein Unternehmen Angestellte hat, zählen auch diese zu den Gläubigern. Das Unternehmen schuldet den Arbeitnehmern deren Gehalt. Weil die Gehälter oft einen bedeutsamen Kostenpunkt darstellen, kommt es häufig vor, dass das Unternehmen die Gehälter seiner Mitarbeiter nicht mehr aufbringen kann und dadurch insolvent wird. So war es auch im Fall der Germania. Für die Mitarbeiter geht es dann darum, ihre Ansprüche auf noch offene Gehaltszahlungen nicht zu verlieren. 

Wie läuft ein Insolvenzverfahren ab?

Wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig oder überschuldet ist, muss er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht beantragen. Das tat die Germania Anfang Februar. Nach der Anmeldung der Insolvenz wird zunächst ein sogenanntes „vorläufiges Insolvenzverfahren“ eröffnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Der hat drei Monate Zeit zu prüfen, ob das Unternehmen insgesamt genug Geld aufbringen kann, um alle Gläubiger zumindest teilweise zu befriedigen und die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Nur wenn dies der Fall ist, wird das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnet. Sonst wird das Insolvenzverfahren vom Gericht abgelehnt (§ 26 InsO). Dann sieht es für die Gläubiger schlecht aus. 

So war es bei der Germania. Zunächst gab es offenbar zahlreiche Interessenten, die die angeschlagene Airline hätten übernehmen wollen. Die Zeit hierfür war aber wohl zu knapp. Damit die Airline nicht ihre wichtigen Verkehrsrechte verliert, hätte sie ein Mindestmaß an Flugbetrieb aufrecht erhalten müssen. Sonst werden die Lizenzen vom Luftfahrtbundesamt (LBA) einer anderen Airline zugewiesen, um den Flugbetrieb in Deutschland zu gewährleisten. Dafür fehlte aber das Geld. Und zuletzt auch die Flugzeuge. Denn die waren nur geleast und die Leasinggesellschaften drängten auf Zahlung und waren nicht bereit, weiter Aufschub zu geben. 

Insolvenzverwalter als neuer Ansprechpartner 

Wird das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnet, gehen alle Rechte und Pflichten des insolventen Arbeitgebers auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Einfacher ausgedrückt: Der Insolvenzverwalter wird neuer „Chef” der Mitarbeiter und ist somit auch für die Auszahlung des Arbeitsentgelts zuständig. Außerdem ist er den Arbeitnehmers gegenüber weisungsbefugt. In der Insolvenz kann das Weisungsrecht unter Umständen weiter reichen, als es im Arbeitsverhältnis sonst üblich ist. Soweit der Insolvenzzweck es erfordert, darf der Insolvenzverwalter den Mitarbeitern ggf. auch eine geringwertigere Arbeit zuteilen, als sie bisher verrichtet haben. 

Auch für das Ausstellen von Arbeitszeugnissen ist der Insolvenzverwalter zuständig, wenn Arbeitnehmern nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekündigt wurde. 

Wie komme ich an Geld, wenn der Arbeitgeber nicht mehr zahlt? 

Im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers fragen sich die Mitarbeiter zu Recht, woher sie ihr Geld bekommen, wenn der Arbeitgeber die Gehälter nicht mehr zahlen kann. Wichtig ist, dass alle Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter angemeldet werden (§ 174 Abs. 1 InsO). Das Insolvenzgericht bestimmt hierfür eine Frist. 

Lohnabrechnung prüfen

Für die Mitarbeiter bedeutet das also, dass sie ihre Lohn-/Gehaltsabrechnungen der vergangenen Monate zunächst einmal sorgfältig prüfen sollten. Sind Beträge nicht vollständig aufgeführt oder nicht der volle Geldbetrag überwiesen worden, sollten die Forderungen aufgelistet und angemeldet werden. Es lohnt sich auch häufig, einen Blick in den Arbeitsvertrag zu werfen, um zu sehen, ob noch weitere offene Forderungen bestehen könnten, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind. Zu denken ist insbesondere an Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, den Jahresbonus oder auch Provisionsansprüche. In vielen Fällen unterliegen diese Ansprüche aber wiederum Ausschlussfristen. Werden die Forderungen verspätet geltend gemacht, können die Ansprüche erlöschen.  

Insolvenzgeld – ein zentrales Arbeitnehmerrecht in der Insolvenz

Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber Insolvenz angemeldet hat, können bei der Arbeitsagentur Insolvenzgeld beantragen, §§ 165 ff. SGB III. Dabei handelt es sich um eine einmalige Zahlung, die Arbeitnehmer auf Antrag als Ersatz für fehlendes Entgelt erhalten können. Es wird in Höhe des Nettolohns ausgezahlt und kann, je nachdem wie lange das vorläufige Insolvenzverfahren dauert, bis zu drei Monatsgehälter umfassen. Auch ausstehende Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgelder werden gezahlt. Der Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber geht mit Erhalt des Insolvenzgelds auf die Arbeitsagentur über. 

Ein Antrag auf Insolvenzgeld muss innerhalb von zwei Monaten ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der örtlichen Arbeitsagentur gestellt werden. Da die Bewilligung einige Zeit in Anspruch nehmen kann, kann unter Umständen auch ein Vorschuss beantragt werden. 

Wer zahlt das Arbeitsentgelt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens? 

Ist das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnet, zahlt die Bundesagentur für Arbeit kein Insolvenzgeld mehr. Der Insolvenzverwalter muss dann dafür sorgen, dass die Löhne und Gehälter aus den vorhandenen Mitteln finanziert werden. Eine Besonderheit besteht hier gegenüber sonstigen Verbindlichkeiten des insolventen Arbeitgebers: Die Vergütungsansprüche der Mitarbeiter sind sogenannte bevorrechtigte Masseforderungen. Arbeitnehmer müssen sich mit ihren Lohnforderungen deshalb nicht in die Riege der übrigen Gläubiger einreihen, die ihre Forderungen in der Regel erst nach Ende des Verfahrens erhalten, soweit überhaupt genügend Geld vorhanden ist. Erfüllt der Insolvenzverwalter die Ansprüche nicht, können die Arbeitnehmer hiergegen Klage beim Arbeitsgericht erheben. 

Sollte man sich auf einen Verzicht oder eine Stundung einlassen? 

Arbeitnehmerrechte in der Insolvenz schützen auch davor, unbedacht auf Ansprüche zu verzichten oder diese zu stunden. Es kann vorkommen, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter bei finanziellen Engpässen darum bitten, auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld zu verzichten. Auch wenn sie selbst möchten, dass es dem Unternehmen bald wieder besser geht, sollten sich Arbeitnehmer darauf nicht ohne weiteres einlassen. In den wenigsten Fällen können sich Betriebe durch den Verzicht auf solche Zahlungen wirklich wieder sanieren. 

Arbeitgeber können ihre Mitarbeiter auch bitten, die ausstehenden Zahlungen zu stunden, also sich darauf einzulassen, das Geld erst später zu erhalten. Ein Anspruch darauf besteht aber nicht. Arbeitnehmer sollten sorgfältig prüfen, ob sie sich darauf einlassen wollen. Das Risiko ist hoch, die Forderung auch später nicht mehr durchsetzen zu können. 

Nachteile beim Arbeitslosengeld

Stundung und Verzicht können zudem zu Kürzungen beim Arbeitslosengeld führen. Denn das berechnet sich grundsätzlich auf Grundlage der tatsächlich gezahlten Bezüge. Verzichtet der Arbeitnehmer auf die Beträge oder stimmt er zu, dass sie erst später gezahlt werden, wird das Arbeitslosengeld reduziert. Kommt es hingegen allein deshalb nicht zur Auszahlung, weil der Arbeitgeber insolvent geworden ist, wird das Arbeitslosengeld in der Regel nicht gekürzt. 

Es ist also Vorsicht geboten, wenn Arbeitgeber ihre Mitarbeiter bitten, sich auf einen Verzicht oder eine Stundung einzulassen.

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Florian Wagenknecht

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