Die vergleichende Werbung ist seit dem Jahr 2000 in Deutschland grundsätzlich erlaubt und nur in bestimmten Fällen wettbewerbsrechtlich unlauter und damit verboten. Hintergrund ist auch hier das Europarecht, welches im Wettbewerbsrecht viele Regelungen vorgibt. Vergleichende Werbung im Wettbewerbsrecht ist durch die EU-Richtlinie 2006/114/EG (vormals: 84/450/EWG) inzwischen vollständig harmonisiert.
Diese Harmonisierung führt insbesondere dazu, dass die entsprechenden Umsetzungen in § 6 UWG in deutsches Recht auch innerhalb des UWG eine gewisse Sonderstellung haben und insbesondere immer richtlinienkonform auszulegen sind. Das “letzte Wort” bei Auslegungsfragen hat damit zugleich stets der EuGH.
Begriff der Werbung im Wettbewerbsrecht ist weit zu verstehen
Was unter “Werbung” zu verstehen ist, ist in Art. 2 lit. a) der RL 2006/114/EG definiert. Demnach ist Werbung
jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern.”
Art. 2 lit. a) RL 2006/114/EG
Umfasst sind hiernach deutlich mehr Verhaltensweisen, als es ein “klassischer” Werbebegriff zunächst vermuten lassen würde. So fallen z.B. sogar Webseiten unter Verwendung bestimmter Metatags darunter (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2013, Az.: C-657/11 – Belgian Electronic Sorting Technology).
Umstritten und bislang noch nicht durch den EuGH entschieden ist die Frage, ob auch Werbung durch Dritte möglich ist. Problematisch kann dies insbesondere beim sog. Influencer-Marketing werden. Zumindest in bestimmten Konstellationen wird dies durch einige Gerichte und auch die juristische Literatur durchaus als möglich angesehen. Hier ist also besondere Vorsicht geboten!
Mitbewerber muss erkennbar sein
Damit aus einer Werbung eine vergleichende Werbung wird, muss diese
unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar [machen].
§ 6 Abs. 1 UWG
Unmittelbare Erkennbarkeit bedeutet, dass Mitbewerber in der vergleichenden Werbung beispielsweise namentlich genannt oder deren Produkte gezeigt werden. Es reicht aber auch eine mittelbare Erkennbarkeit aus. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung des EuGH vor, wenn
es möglich ist, dieses Unternehmen oder die von ihm angebotenen Waren als diejenigen zu erkennen, auf die die Werbeaussage konkret Bezug nimmt.
EuGH, Urteil vom 19. April 2007, Az.: C-381/05, Rn. 24
Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn das eigene Produkt eine augenfällige Nachahmung ist (KG Berlin, Urteil vom 28. August 2012, Az. 5 U 48/06) oder auf bestimmte Eigenschaften Bezug genommen wird (BGH, Urteil vom 17. Januar 2002, Az.: I ZR 161/99 – Hormonersatztherapie), die beispielsweise nur ein Mitbewerberprodukt aufweist.
Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn man für die Bezugnahme “um 10 Ecken denken” muss oder der Mitbewerber nicht in der Werbung selbst, sondern nur durch äußere Umstände erkennbar wird (BGH, Urteil vom 06. Dezember 2007, Az.: I ZR 169/04 – Imitationswerbung).
Vergleichende Werbung im Wettbewerbsrecht grundsätzlich gestattet
Mit den EU-Richtlinien zur vergleichenden Werbung hat das Wettbewerbsrecht in Deutschland einen Paradigmenwechsel erfahren: Denn nunmehr ist vergleichende Werbung erst einmal als etwas Gutes und Wünschenswertes einzustufen. Das führt nicht nur dazu, dass vergleichende Werbung wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig ist.
Viel wichtiger ist, dass die Ausnahmen in § 6 Abs. 2 UWG, wann eine vergleichende Werbung unlauter und damit unzulässig ist, nach der Rechtsprechung des EuGH so auszulegen sind, dass dies für die vergleichende Werbung positiv ist (EuGH Urteil vom 8. Februar 2017, Az.: C-562/15 – Carrefour Hypermarchés).
Ein Vergleich in der Werbung ist daher gem. § 6 Abs. 2 UWG wettbewerbsrechtlich nur dann unlauter, wenn sich dieser Vergleich
- nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht,
- nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist,
- im geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt,
- den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt,
- die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft oder
- eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt.
Werbung darf auch nicht irreführend sein!
Auch wenn eine vergleichende Werbung nach § 6 UWG wettbewerbsrechtlich zulässig ist, kann sie dennoch aus anderen Gründen unlauter sein. Wegen der europarechtlichen Vollharmonisierung ist das aber nur der Fall, wenn die Werbung irreführend ist, § 5 Abs. 3 UWG. Die anderen Unlauterkeitsgründe des Wettbewerbsrechts sind auf eine zulässige vergleichende Werbung hingegen nicht anwendbar.
Rechtmäßig vergleichende Werbung kann Markenrecht einschränken!
Diese “Sonderstellung” zulässiger vergleichender Werbung im Wettbewerbsrecht, wirkt sich teilweise sogar auf das Markenrecht aus. Weil der EU-Gesetzgeber vergleichende Werbung nur dann verbieten wollte, wenn diese entweder gegen eine der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 UWG verstößt oder irreführend ist, kann das Markenrecht die vergleichende Werbung ebenfalls nicht einschränken (EuGH, Urteil vom 16. Juni 2009, Az.: C-487/07 – L’Oréal).