Die Grundsätze, die in allen Fällen möglicher (unlauterer) vergleichender Werbung nach § 6 UWG vorliegen müssen, wurden bereits in einem eigenen Beitrag näher beleuchtet. Hinzukommen muss in jedem Fall einer von sechs Unlauterkeitsgründen des § 6 Abs. 2 UWG. Nur in diesen Fällen ist eine vergleichende Werbung unlauter und es liegt ein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht vor.
Auch wenn die sechs Unlauterkeitstatbestände teilweise selbsterklärend wirken, so ist es gerade für Unternehmer im Einzelfall immer wieder fraglich, ob ihre Werbung – oder die eines Mitbewerbers – nicht doch einen der Tatbestände erfüllt.
§ 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG: Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung
Die vergleichende Werbung muss sich auf Waren oder Dienstleistungen beziehen, die sich entweder auf den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung beziehen. Es geht also um einen gewissen Grad an Austauschbarkeit (= Substituierbarkeit) aus Sicht des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers. Eine teilweise Austauschbarkeit reicht dabei aus, wenn der Werbende darauf hinweist, um Irrtümer zu vermeiden.
Die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist damit sehr ähnlich zur Feststellung einer Mitbewerbereigenschaft. Der Unterschied ist dabei, dass die Mitbewerbereigenschaft anhand des gesamten Waren- und Dienstleistungsangebots der beiden Unternehmer bestimmt wird. Bei der vergleichenden Werbung werden nur eben die verglichenen Waren bzw. Dienstleistungen zueinander in Bezug gesetzt und auf ihre Austauschbarkeit hin überprüft.
Beispiele:
- Leitungswasser und Mineralwasser (OLG München, Urteil vom 16. September 1999, Az.: 6 U 2646/98)
- Müsliriegel und Schokoladenriegel (OLG Hamburg, Urteil vom 6. März 2003, Az.: 5 U 227/01)
- Verschiedene Nahrungsmittel miteinander (EuGH, Urteil vom 18. November 2010, Az.: C-159/09)
- Bahnfahrt und Flugreisen, jeweils als Beförderungsmöglichkeit.
- Wirtschaftszeitung und Lotteriegesellschaft, jeweils als Möglichkeit zur Geldvermehrung (BGH, Urteil vom 17. Januar 2002, Az.: I ZR 215/99)
§ 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG: Voraussetzungen des Eigenschaftsvergleichs
Der Vergleich in der Werbung darf sich nur auf “wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis der Waren oder Dienstleistungen” beziehen. Es geht also darum, dass der Verbraucher einen “Mehrwert” durch die vergleichende Werbung erhalten soll. Die Nachprüfbarkeit muss dabei aber nicht für alle Verbraucher vorliegen: Es reicht, wenn die verglichenen Eigenschaften von Sachverständigen nachprüfbar sind.
- Art und Weise der Herstellung, z.B. Regionalität, Herstellung unter bestimmten Bedingungen (z.B. Verletzung von Steuer– oder Umweltvorschriften).
- Der Kundendienst, z.B. Dichte des Servicenetzes oder Servicezeiten.
- Das Fehlen von Eigenschaften, beim Mitbewerberangebot.
- Preisvergleich auch bei Produkten, die nicht qualitätsgleich sind.
§ 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG: Verwechslungsgefahr
Durch die vergleichende Werbung darf nicht die Gefahr entstehen, dass der angesprochene Verkehrskreis glauben könnte, die in Frage stehenden Produkte stammten aus demselben Unternehmen (sog. Verwechslungsgefahr).
Eine solche Verwechslungsgefahr wurde für den Fall verneint, dass die Produkte des Mitbewerbers als “ähnlich” bezeichnet wurden (BGH, Urteil vom 2. April 2015, Az.: I ZR 167/13).
§ 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG: Rufausnutzung und Rufbeeinträchtigung
Eine unlautere Rufausnutzung ist nach Ansicht des BGH wie folgt zu bestimmen:
„Der Ruf eines Kennzeichens wird in unlauterer Weise ausgenutzt, wenn dessen Verwendung im Rahmen einer vergleichenden Werbung bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Assoziation zwischen dem Werbenden und dem Mitbewerber in der Weise hervorruft, dass diese den Ruf der Erzeugnisse des Mitbewerbers auf die Erzeugnisse des Werbenden übertragen.“
BGH, Urteil vom 01. Oktober 2009, Az.: I ZR 134/07
Es handelt sich also um einen Imagetransfer, bei dem das Produkt des Mitbewerbers als eine Art “Zugpferd” genutzt wird, um den eigenen Absatz zu erhöhen. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn in der vergleichenden Werbung das Produkt des Mitbewerbers als unterlegen dargestellt wird (OLG Köln, Urteil vom 19. September 2014, Az.: 6 U 7/14).
Eine unlautere Rufbeeinträchtigung ist hingegen die Herabsetzung oder Verunglimpfung des Kennzeichens eines Mitbewerbers. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn auch die Voraussetzungen einer Rufbeeinträchtigung nach dem Markenrecht (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) vorliegt.
Die Verwendung von Kennzeichen eines Mitbewerbers ist aber nicht per se unlauter. Vielmehr muss es gerade möglich sein, Kennzeichen anderer Unternehmen für die (lautere) vergleichende Werbung zu verwenden. Die Unlauterkeit wird also immer erst durch weitere Umstände begründet.
- Ein Hersteller vertreibt billigen Schmuck mit dem Zusatz “à la cartier” in der Rubrik “Markenschmuck: Cartier” (BGH, Urteil vom 04.12.2008, Az. I ZR 3/06).
- Grundsätzlich zulässig ist es, das fremde Kennzeichen im Rahmen vergleichender Werbung auf der eigenen Webseite zu nutzen, in der Absicht, dass Nutzer von Suchmaschinen so auf die eigenen Angebote aufmerksam werden (BGH, Urt. v. 2.4.2015 – I ZR 167/13).
- Nutzung eines mit einem Mitbewerber identischen oder ähnlichen Kennzeichens für ein Produkt, dass Eigenschaften hat, die sich negativ auf das fremde Markenprodukt auswirken können.
§ 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG: Herabsetzung oder Verunglimpfungen des Mitbewerbers oder seiner Produkte
Die vergleichende Werbung darf auch nicht die Grenzen einer sachlichen Erörterung überschreiten oder pauschal fremde Produkte abwerten. Mit berücksichtigt werden muss dabei die Meinungsfreiheit. Gerade auch an Ironie oder in anderen Formen humorvolle Werbung sind Verbraucher auch schon lange gewöhnt, sodass auch dies möglich ist und noch eine sachliche Erörterung darstellen kann.
Die “Verunglimpfung” ist dabei nur eine stärkere Form der Herabsetzung. Da bereits eine Herabsetzung die Unlauterkeit begründet, ist eine Differenzierung hier nicht notwendig.
- Bezeichnung eines Mitbewerbers als “Verlierer” (OLG Hamburg, Urteil vom 12. 7. 2001 – 3 U 287/00).
- „Hängen Sie noch an der Flasche?“ bei vergleichender Werbung von Leitungs- mit Mineralwasser (OLG München, Urteil vom 16. 9. 1999 – 6 U 2646/98).
- Persiflierende Darstellung unterschiedlich großer Hunde zur Veranschaulichung unterschiedlicher Reichweitenzahlen von Magazinen (OLG München, Urteil vom 22. 8. 2002 – 29 U 3339/02).
- Parodierende Darstellung eines Repräsentanten des Mitbewerbers im Rahmen einer fiktiven Preisverleihung (BGH, Urt. v. 24.1.2019 – I ZR 200/17) .
§ 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG: Imitation oder Nachahmung einer Ware oder Dienstleistung
Der letzte Unlauterkeitstatbestand der vergleichenden Werbung im Wettbewerbsrecht nach § 6 Abs. 2 UWG liegt vor, wenn das Produkt des Werbenden als Imitation oder Nachahmung dargestellt wird. Es ist dabei unerheblich, ob es tatsächlich eine Imitation oder Nachahmung ist – es zählt allein der Eindruck, der aus der vergleichenden Werbung vermittelt wird.
Das Produkt des Mitbewerbers muss dabei unter einem geschützten Kennzeichen stehen: Das sind insbesondere Marken, aber auch Unternehmenskennzeichen.
- Alleine nicht ausreichend ist es, wenn die Angaben “ähnlich” oder “wie” genutzt werden.
- Eine Vergleichsliste, die das Kennzeichen des Konkurrenzproduktes aufweist und dann erkenntlich macht, dass das eigene Produkt nicht nur eine Alternative, sondern in wesentlichen Merkmalen (z.B. der Geruch bei einem Parfum) gleichartig sein soll.