Ausgangspunkt eines vom OLG Nürnberg entschiedenen Rechtsstreits war folgender Sachverhalt: Eine Journalistin lieferte seit 2004 Texte und Bilder zur Veröffentlichung an eine Lokalzeitung. Von 2014 bis 2016 arbeitete sie in der Geschäftsstelle der Zeitung auf 450-Euro-Basis, wo sie typische Sekretariats- und Assistenzaufgaben erledigte. 2016 nahm sie ein Fernstudium zur Journalistin auf.
Für die Textberichte, die die Frau in dieser Zeit schrieb, erhielt sie von der Zeitung eine Vergütung von 0,14 € pro Zeile für Texte und 5,00 € für Fotos. Die Journalistin war aber der Ansicht, dass ihr für die mehr als 1000 gelieferten Artikel und Fotos eine über diese Beträge hinausgehende „angemessene Vergütung“ zustehe. Sie begründete dies mit §§ 32, 36 UrhG, die auf die Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen („GVR-Tageszeitungen“) verweist.
Angeblich keine hauptberufliche journalistische Tätigkeit und fehlende Beitragsqualität
Die Lokalzeitung wies die Forderungen der Frau zurück. Die Beiträge hätten oft ein gewisses „qualitatives Moment“ vermissen lassen. Denn in vielen Fällen hätten die Beiträge lediglich aus der Mitteilung von Namen und Sportergebnissen oder aus Bildunterschriften von wenigen Zeilen Umfang bestanden. Solche Texte unterlägen nicht dem Urheberrechtsschutz.
Weiter, so die Lokalzeitung, würde der Frau der für eine Vergütung nach dem Urheberrechtsgesetz und der GVR-Tageszeitungen erforderliche Status einer hauptberuflichen Journalistin fehlen. Schließlich habe neben ihrer redaktionellen Tätigkeit auf geringfügiger Basis im Büro der Zeitung gearbeitet. Auch fehle ihr eine spezifische journalistische Ausbildung.
OLG Nürnberg bejaht urheberrechtlichen Schutz von Lokalzeitungsartikeln
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat sich in einem Urteil vom 29. Dezember 2020 (Az. 3 U 761/20) der Argumentation der Klägerin angeschlossen und eine angemessene Vergütung nach dem UrhG in Höhe der GVR-Tageszeitungen bejaht.
Zwar sei bei sehr simpel gehaltenen Berichten über lokale Ereignisse Urheberrechtsschutz nicht selbstverständlich. Die Anforderungen an einen urheberrechtlichen Schutz werden allerdings eher gering angesetzt: Erforderlich ist lediglich ein Mindestmaß an „individueller Prägung“ des fraglichen Werkes. Einen solchen Grad wiesen – bis auf wenige Ausnahmen – alle von der Journalistin eingereichten Werke auf. Denn die Texte würden nicht nur Veranstaltungen ankündigen oder ohne jede redaktionelle Aufbereitung Informationen weitergegeben. Davon habe sich der Senat persönlich überzeugen können.
Auch die Bildunterschriften, die lediglich in knapper Form Lichtbilder beschreiben, einordnen und kommentieren, würden die relevante „Schöpfungshöhe“ erreichen. Die dafür erforderliche individuelle Prägung sei dadurch erreicht, dass die Klägerin Situationen und Eindrücke des Tagesgeschehens, die ein anderer vielleicht für unbedeutend empfinden mag, eingefangen hat. Weiter erschöpfen sich die Formulierungen nicht in einer nüchternen Beschreibung der Bildinhalte und Szenen, sondern greifen Empfindungen des abgebildeten Geschehens oder des Betrachters auf.
Richter nehmen hauptberufliche Tätigkeit als Journalistin an
Auch hinsichtlich ihrer Eigenschaft als hauptberufliche Journalistin schlossen sich die Nürnberger Richter der Argumentation der Klägerin an. Denn angesichts des gelieferten Materials (über 1000 Texte und Bilder) und des geringen Umfangs ihrer Büroarbeit bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass andere Tätigkeiten beruflicher Art in einem gleichgewichtigen Umfang bestünden.
Auch gäbe es in der GVR-Tageszeitungen keinen Hinweis darauf, dass diese nur für Personen gelten sollte, die eine journalistische Ausbildung in Form eines Hochschulstudiums oder eines Volontariats absolviert haben. Auch der für sie ausgestellte Presseausweis und ihre Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse würden für eine hauptberufliche Tätigkeit als Journalistin sprechen.
Angemessene Nachvergütung entsprechend der GVR-Tageszeitungen: Über 60.000 € plus Zinsen
Aufgrund all dieser Erwägungen verurteilten die Richter die Tageszeitung schließlich zu einer Nachvergütung der klagenden Journalistin. Auf Grundlage von §§ 32, 36 UrhG und der GVR-Tageszeitungen ist für die über Jahre eingereichten Werke nun eine Nachvergütung von über 60.000 € nebst Zinsen fällig.
Für frei arbeitende Journalisten kann es sich durchaus lohnen, Inhalt und Umfang der eigenen Arbeit genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn auch Berichte, die die Auflistung von Personennamen oder (Sport-)Ergebnissen enthalten, oder sehr kurze Texte, wie z. B. Bildunterschriften, können urheberrechtlich geschützt sein und damit nach dem UrhG angemessen zu vergüten sein.