Unwirksame fristlose Kündigung: Aufladen eines Autos muss nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen

Fristlose Kündigung wegen Aufladens eines Hybridautos am Arbeitsplatz? Vorher muss eine Abmahnung erfolgen!

Die Frage, ob das private Aufladen eines Hybridautos am Arbeitsplatz eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, führte im Fall vor dem Arbeitsgericht Duisburg (Urteil vom 10.03.2023, Az. 5 Ca 138/22) zu einem spannenden Ergebnis. Die Entscheidung ist für Unternehmen relevant, die klare Regelungen zur Nutzung betrieblicher Ressourcen durch Mitarbeiter* implementieren und durchsetzen wollen.

In diesem Fall hatte ein Arbeitnehmer sein Hybridauto an der Steckdose des Arbeitgebers geladen. Das Unternehmen betrachtete dies als schwerwiegenden Vertrauensbruch und kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Kläger argumentierte jedoch, er habe das Fahrzeug nur aufgrund eines unerwarteten technischen Problems kurz aufgeladen und sei davon ausgegangen, dass das Unternehmen dies dulde. Hierbei verwies er auf eine betriebliche Übung, wonach kleinere Geräte wie Mobiltelefone oder E-Bikes durch Mitarbeiter mit Zustimmung des Unternehmens geladen wurden.

Keine Kündigung ohne vorherige Abmahnung, wenn Auto auf Kosten des Arbeitgebers aufgeladen wurde

Das Gericht entschied, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist und berief sich dabei auf die Voraussetzungen des § 626 BGB. Die Urteilsbegründung zeigt, dass eine sofortige Kündigung in einem solchen Fall unverhältnismäßig sei und stattdessen eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen wäre. Die wesentlichen Argumente des Gerichts umfassten folgende Punkte:

1. Vorliegen eines wichtigen Grundes: Das Gericht stellte fest, dass der Vorfall grundsätzlich einen „wichtigen Grund an sich“ darstellt, da das Laden des Hybridfahrzeugs ohne Zustimmung des Arbeitgebers erfolgte. Diese Handlung wurde als ein Eigenmächtigkeitsakt bewertet, der potenziell das Vertrauen des Arbeitgebers verletzt und in das Eigentum des Arbeitgebers eingreift.

2. Einzelfallabwägung und betriebliche Übung: Dennoch befand das Gericht, dass das Unternehmen es unterlassen habe, klare und für alle Mitarbeiter verständliche Regeln aufzustellen und durchzusetzen. Es stellte sich heraus, dass das Aufladen kleinerer Geräte wie Handys oder Tablets am Arbeitsplatz zwar verboten, jedoch toleriert worden war. Diese Praxis führte dazu, dass der Kläger möglicherweise keine Klarheit darüber hatte, dass das Laden seines Hybridautos eine so schwerwiegende Pflichtverletzung darstellt.

3. Erforderlichkeit einer Abmahnung: Aufgrund der unklaren Vorgaben und der geduldeten Praxis beim Laden kleinerer Geräte befand das Gericht, dass vor einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen wäre. Diese hätte dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben, sein Verhalten anzupassen und die Erwartungshaltung des Arbeitgebers kennenzulernen. Nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit sollte eine Abmahnung immer dem Ausspruch einer Kündigung vorangehen, wenn das Fehlverhalten nicht so schwerwiegend ist, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar wäre.

4. Hausordnung und Kündigungsgrund: Die in der Hausordnung enthaltene Regelung, dass das Aufladen von Akkus für Elektromotoren aus Sicherheitsgründen verboten sei, richtete sich laut dem Gericht primär an Gäste des Unternehmens. Zwar könnte die Hausordnung auch auf die Mitarbeiter anwendbar sein, doch reicht dies nicht aus, um das Verhalten des Klägers als fristlos kündigungsrelevant einzustufen.

Fazit: Abmahnungspflicht und Transparenz schaffen

Das Urteil verdeutlicht, dass eine fristlose Kündigung nicht ohne weiteres aufgrund von Regelverstößen ausgesprochen werden kann, insbesondere wenn keine Abmahnung erfolgte und der Arbeitgeber eine betriebliche Praxis geduldet hat, die dem Mitarbeiter als Orientierung diente. Unternehmen sollten klare und für alle Mitarbeiter verbindliche Richtlinien schaffen und sicherstellen, dass diese konsequent umgesetzt werden. Eine Abmahnungspflicht besteht immer dann, wenn das Verhalten des Mitarbeiters nicht als derart schwerwiegender Vertrauensmissbrauch einzustufen ist, dass eine sofortige Kündigung gerechtfertigt wäre.

Unternehmen können aus diesem Fall lernen, dass Transparenz in der Kommunikation und eindeutige Regelungen essenziell sind, um Konflikte dieser Art zu vermeiden.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich aus Gründen der Lesbarkeit wird auf andere Schreibweisen verzichtet.

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Florian Wagenknecht

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