Verdachtsberichterstattung: hohe Anforderungen an eine ordnungsgemäße Konfrontation

Verdachtsberichterstattung: Nur bei vorheriger Konfrontation und ausreichend stützenden Indizien zulässig. Wir gehen auf die rechtlichen Voraussetzungen ein.

Die Verdachtsberichterstattung ist ein heikles Thema, das besonders für Unternehmer* und Unternehmen von Bedeutung ist. Es geht dabei um die Veröffentlichung von Informationen, die auf einem Verdacht beruhen und daher nicht als bewiesene Tatsachen betrachtet werden. Hierbei stellen sich oft Fragen nach dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Person gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in einem Urteil (Az. 16 U 33/23) die Anforderungen an eine zulässige Verdachtsberichterstattung präzisiert. Dieser Beitrag fasst die wesentlichen Punkte verständlich zusammen.

Ordnungsgemäße Konfrontation als Teil einer zulässigen Verdachtsberichterstattung

Zunächst gilt, dass eine Verdachtsberichterstattung grundsätzlich zulässig ist, wenn sie bestimmte rechtliche Anforderungen erfüllt. Im Kern handelt es sich um eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit. Wichtig sind dabei folgende Voraussetzungen:

Stützung auf ausreichende Indizien

Für die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung ist ein Mindestbestand an Indizien erforderlich, die den Verdacht begründen und ein „öffentliches Interesse“ rechtfertigen. Diese Indizien müssen nachvollziehbar und glaubwürdig sein. Hierbei stellte das Gericht klar, dass bloße Vermutungen ohne fundierte Belege nicht ausreichen. So sind z. B. Aussagen von Personen, die einen Bezug zur betreffenden Person haben, wichtige Anhaltspunkte.

Keine Vorverurteilung

Der Bericht darf keine Vorverurteilung des Betroffenen nahelegen. Das bedeutet, dass die Berichterstattung für den Leser als Verdacht und nicht als Tatsache erkennbar sein muss. In dem zugrundeliegenden Fall stellte das OLG Frankfurt fest, dass die Formulierung eines Verdachts im Konjunktiv wichtig ist, um eine Vorverurteilung zu vermeiden. Auch muss der Artikel klarstellen, dass keine abschließende Gewissheit besteht.

Konfrontation des Betroffenen

Eine zentrale Anforderung ist die Anhörung des Betroffenen (sog. „Konfrontation“ / „Right to reply“), der vor Veröffentlichung Gelegenheit haben muss, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Diese Anhörungspflicht gilt insbesondere, wenn die Verdachtsäußerung wesentliche Indizien und Anknüpfungspunkte für den Verdacht enthält. Das OLG Frankfurt betonte, dass ohne eine solche Konfrontation eine Verfälschung der Berichterstattung droht, da eine mögliche Entkräftung des Verdachts unerwähnt bliebe.

Im Rahmen der Konfrontation sind dabei also folgende Punkte zu beachten:

1. Vollständige und transparente Information

Der Betroffene muss umfassend über den „wesentlichen Kern“ der Verdachtsmomente informiert werden. Das bedeutet, dass nicht nur der Hauptvorwurf, sondern auch die relevanten Anknüpfungspunkte und Indizien offengelegt werden müssen. Dies ist besonders wichtig, wenn der Verdacht auf spezifischen Aussagen oder Dokumenten basiert, die für die journalistische Darstellung zentral sind. Laut Urteil reicht es nicht aus, nur allgemeine oder oberflächliche Fragen zu stellen; der Betroffene muss klar erkennen können, auf welchen konkreten Anhaltspunkten der Verdacht beruht.

2. Fragen zu wesentlichen Rechercheergebnissen

Die Konfrontation muss die Kernaussagen der journalistischen Recherche ansprechen. Im Fall des OLG Frankfurt war es entscheidend, dass der Betroffene auch zu den Aussagen von Dritten befragt wurde, die den Verdacht stützten. Das Gericht betonte, dass die Konfrontation nicht nur auf bereits bekannte Vorwürfe oder ältere Gerüchte bezogen sein darf. Wenn neue Informationen oder Aussagen recherchiert wurden, wie etwa Aussagen vermeintlicher Familienangehöriger im Ausland, dann müssen diese in der Anfrage zur Stellungnahme einbezogen werden. Dies gibt dem Betroffenen die Möglichkeit, auch diesen Aspekten zu widersprechen oder zusätzliche Informationen bereitzustellen.

3. Klarheit und Spezifität der Fragen

Die Fragen an den Betroffenen sollten klar und konkret formuliert sein, um sicherzustellen, dass die betroffene Person die Vorwürfe eindeutig nachvollziehen kann. Es reicht nicht aus, vage Andeutungen oder allgemein gehaltene Fragen zu stellen. So müssen beispielsweise konkrete Namen, Orte oder Ereignisse, die als Anhaltspunkte für den Verdacht dienen, explizit benannt werden. Diese präzise Formulierung stellt sicher, dass der Betroffene die Verdachtsmomente in vollem Umfang erkennt und nicht nur allgemeine oder irreführende Informationen erhält.

4. Dokumentation und Nachvollziehbarkeit der Konfrontation

Wichtig ist auch die Art und Weise, wie die Anfrage dokumentiert wird. Um eine spätere Überprüfung der Konfrontation zu ermöglichen, sollte der gesamte Vorgang schriftlich festgehalten werden, einschließlich der gestellten Fragen und der gegebenen Antworten. Eine solche Dokumentation ist für die rechtliche Bewertung notwendig, da sie die Glaubhaftigkeit und Sorgfalt der Presse darlegt. Das OLG Frankfurt stellte fest, dass diese Transparenz sowohl dem Betroffenen als auch der Presse hilft, ihre Position im Streitfall zu verteidigen.

5. Offenheit für Stellungnahmen und Korrekturen

Die Konfrontation dient nicht nur der Informationsgewinnung, sondern soll auch sicherstellen, dass der Journalist seine Quellen und Rechercheergebnisse kritisch hinterfragt. Daher ist es geboten, etwaige Korrekturen oder Erklärungen des Betroffenen ernsthaft zu prüfen und gegebenenfalls in die Berichterstattung einzubeziehen. Der Journalist sollte offen dafür sein, dass sich seine Darstellung durch die Stellungnahme des Betroffenen ändert, falls neue, relevante Informationen zutage treten.

Zusammengefasst fordert das Urteil, dass die Konfrontation mehr ist als eine reine Formalität. Sie muss dem Betroffenen tatsächlich die Möglichkeit geben, auf alle wesentlichen Aspekte der Berichterstattung zu reagieren, um eine objektive und ausgewogene Darstellung des Verdachts zu ermöglichen. Fehlt eine solche ausführliche und nachvollziehbare Anhörung, kann dies zur Unzulässigkeit der Verdachtsberichterstattung führen und Ansprüche auf Unterlassung begründen.

Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit

Das Gericht muss im Einzelfall eine sorgfältige Abwägung zwischen den Rechten des Betroffenen und den Interessen der Öffentlichkeit vornehmen. Je nach Schwere der Vorwürfe und der Bedeutung des Betroffenen im öffentlichen Leben kann das Schutzbedürfnis unterschiedlich gewichtet werden. Der Entscheidung zugrunde liegt eine umfassende Interessenabwägung, die das Gewicht der einzelnen Aussagen sowie die Breitenwirkung der Berichterstattung berücksichtigt.

Unternehmer und Unternehmen, die von Verdachtsberichterstattung betroffen sind, sollten sich ihrer Rechte bewusst sein. Eine Verdachtsberichterstattung ist nur zulässig, wenn die Mindestanforderungen erfüllt sind und der Betroffene vorab die Möglichkeit zur Stellungnahme erhält. Andernfalls besteht die Gefahr einer unzulässigen Berichterstattung, die das Persönlichkeitsrecht verletzt und Unterlassungsansprüche begründet.

Presseorganen, Rundfunkanstalten und Medienvertreter sind am Ende gut beraten, die hohen Ansprüche an eine ordnungsgemäße Konfrontation im Rahmen der Verdachtsberichterstattung zu berücksichtigen.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich aus Gründen der Lesbarkeit wird auf andere Schreibweisen verzichtet.

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