Die BGH Entscheidung vom 6. Oktober 2016 (Az.: I ZR 154/15) zum Filesharing stellt das Landgericht München vor eine wichtige Frage: Ist der Ausschluss der Haftung eines Anschlussinhabers mit dem europäischen Recht vereinbar, soweit der Anschlussinhaber glaubhaft darlegt, dass auch Dritte zum Zeitpunkt des Urheberrechtsverstoßes Zugriff auf das Netzwerk hatten?
EuGH soll über die Auslegung des europäischen Urheberrechts entscheiden
Um dieser Rechtsfrage nachzugehen, hat das Landgericht München mit Beschluss vom 17. März 2017 in einem Vorabentscheidungsersuchen die Frage zur Auslegung der europäischen Regelungen dem EuGH vorgelegt.
Aufhänger des Vorabentscheidungsverfahrens: „Afterlife“-Entscheidung des BGH
Aufhänger der Frage war das Urteil des BGH aus dem Jahr 2016. Eine Haftung des Anschlussinhabers aufgrund einer Urheberrechtsverletzung durch Filesharing ist nicht zwingend, soweit der Anschlussinhaber glaubhaft darlegen kann, dass zur Zeit des Verstoßes auch Dritte Zugriff auch das Netzwerk hatten.
Im Zivilprozess trägt stets derjenige die Beweislast für Tatsachen, die zum Tatbestand einer ihr günstigen Rechtsposition gehören. Daher obliegt auch dem Urheber die Beweislast, dass der Anschlussinhaber selbst den Urheberrechtsverstoß begangen hat. Oftmals ist ein solcher Beweis allerdings nur schwer zu erbringen und der Anschlussinhaber kann sich der Haftung entziehen.
Internetanschluss wurde auch von Dritten verwendet
Der Fall des Landgerichts liegt ähnlich wie der Fall des BGH vom Oktober 2016. Ein Hörbuchverlag klagte gegen den Inhaber eines Internetanschlusses auf Schadensersatz. Dieser habe im Wege des Filesharings ein Hörbuch des Verlages unberechtigt anderen Internetnutzern zum Herunterladen zur Verfügung gestellt. Der beklagte Anschlussinhaber bestritt, die Rechtsverletzung begangen zu haben. Dazu teilte er dem Kläger mit, dass unter anderem auch seine Eltern Zugriff auf seinen Internetanschluss hatten. Ob diese auch den Urheberrechtsverstoß begangen hatten, konnte er nicht sagen.
Laut BGH scheide eben bei dieser Konstellation eine Schadensersatzhaftung des Anschlussinhabers aus, da auch Dritte als Täter der Rechtverletzung in Betracht kommen. Da aber auch die Klage gegen die Eltern wohl eher wenig Aussicht auf Erfolg haben dürfte, hat die Kammer dem EuGH nun die Frage vorgelegt: Ist die Rechtsprechung des BGH mit dem europäischen Urheberrecht vereinbar?
Fraglich ist insbesondere, ob eine solche Handhabung des urheberrechtlichen Anspruchs auf Schadensersatz eine wirksame und abschreckende Sanktion bei Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharings darstellt, wie sie das europäische Recht von den Mitgliedsstaaten fordert (Richtlinie 2001/29/EG und 2004/48/EG).
Aktuelles BGH-Urteil ändert an der Vorlage des LG München nichts
Zum Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses war das aktuelle Urteil des BGH (Urteil v. 30.03.2017 – I ZR 19/16) noch nicht veröffentlicht. Danach können Eltern sich einer Haftung entziehen, wenn sie den ihnen bekannten Verletzer – im entschiedenen Fall eines ihrer Kinder – namentlich benennen können.
Diese Entscheidung ändert jedoch nichts an der Rechtslage im Fall des Landgericht Münchens. Denn hier war der konkrete Urheberrechtsverletzer eben nicht bekannt.
Das Urteil des EuGH bleibt mit Spannung abzuwarten. Es wird allerdings in jeder Hinsicht Einfluss auf die gefestigte Rechtsprechung des BGH haben. Entweder wird dieser in seiner Position gestärkt oder er muss sich abweichend mit der Rechtslage auseinandersetzen.