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BGH, Urteil v. 25.04.2019, Az.: I ZR 93/17

Wettbewerbswidrige Irreführung durch falsche Behauptung einer angeblich eindeutigen Rechtslage wenn Verbraucher dies als Feststellung versteht.

a) Zur Täuschung geeignete Angaben im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG sind nicht nur Tatsachenbehauptungen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Meinungsäußerungen.

b) Für die Frage, ob Aussagen über die Rechtslage von § 5 Abs. 1 UWG erfasst werden, ist entscheidend, wie der Verbraucher die Äußerung des Unternehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Art und Weise der Äußerung auf- fasst.

c) Ist für die betroffenen Verkehrskreise erkennbar, dass es sich um eine im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geäußerte Rechtsansicht handelt, fehlt dieser Äußerung die zur Erfüllung des Tatbestands der Irreführung erforderliche Eignung zur Täuschung.

d) Dagegen erfasst § 5 Abs. 1 UWG Äußerungen, in denen der Unternehmer gegenüber Verbrauchern eine eindeutige Rechtslage behauptet, die tatsächlich nicht besteht, sofern der angesprochene Kunde die Aussage nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung versteht. Ebenso ist eine objektiv falsche rechtliche Auskunft eines Unternehmers, die er auf eine ausdrückliche Nachfrage des Verbrauchers erteilt, zur Irreführung und Beeinflussung des Verbrauchers geeignet.

e) Bei den Bestimmungen der §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG handelt es sich um Verbraucherschutzgesetze im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 27. April 2017 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin ist die Verbraucherzentrale S. . Die Beklagte, die Kreissparkasse A. -B. , ist mit Wirkung zum 1. Januar 2008 im Wege der Aufnahme der Kreissparkassen A. -Z. und K. durch die Kreissparkasse B. entstanden.

Die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten hatten zahlreiche Prämiensparverträge mit Kunden abgeschlossen. Darin war vereinbart, dass der Sparer einen bestimmten monatlichen Betrag auf das Sparkonto einzahlt und zwar eine Herabsetzung, nicht aber eine Erhöhung der Sparbeiträge möglich ist. Nach dem weiteren Inhalt der Verträge war das Sparguthaben variabel mit dem jeweils gültigen Zinssatz für Sparguthaben zu verzinsen. Darüber hinaus zahlte die Beklagte auf die während eines Kalenderjahres geleisteten Sparbeiträge jeweils am Jahresende eine sogenannte „S-Prämie“ gemäß der im Vertrag genannten Prämienstaffel. Diese Prämienstaffel umfasst je nach Vertragsgestaltung 15 oder 25 Jahre.

Im Jahr 2015 kündigte die Beklagte zahlreiche dieser Prämiensparverträge, wobei sie folgende Formulierung verwendete:

Bei den bestehenden Verträgen handelt es sich um Einlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Eine Vertragslaufzeit ist nicht vereinbart.

Die Klägerin hält diese Kündigungsschreiben für irreführend, weil bis zum Ablauf der jeweils vereinbarten Prämienstaffel kein Kündigungsrecht der Beklagten bestehe. Die fehlerhafte Information veranlasse den Verbraucher, auf die Durchsetzung ihm zustehender Rechte, insbesondere auf die Zahlung von Prämien, zu verzichten.

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt, der Beklagten zu verbieten, Verbrauchern, die mit ihr derartige Prämiensparverträge geschlossen haben, vor Ablauf des letzten Jahres der Prämienstaffel mitzuteilen, bei dem Vertrag handele es sich um eine „Einlage mit dreimonatiger Kündigungsfrist“ und/oder der Vertrag werde unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist gekündigt. Ferner hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft über die Verbraucher zu erteilen, mit denen sie derartige Prämiensparverträge abgeschlossen hat, an diese Verbraucher ein individualisiertes Berichtigungsschreiben mit einem näher bezeichneten Inhalt zu übermitteln und dessen Versendung nachzuweisen. Hilfsweise hat sie Auskunft über die Anzahl der Prämiensparverträge sowie die Versendung von Berichtigungsschreiben und den Nachweis der Versendung beantragt. Außerdem begehrt die Klägerin die Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 200 € zuzüglich Zinsen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte begehrt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet angesehen, weil die Beklagte in den beanstandeten Schreiben eine Rechtsansicht geäußert und keine Angaben im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG gemacht habe. Dazu hat es ausgeführt:

Irreführende Angaben im Sinne von § 5 UWG könnten nur Behauptungen sein, die sich bei einer Überprüfung als eindeutig richtig oder falsch erweisen könnten, über die man also eigentlich nicht streiten könne, etwa die Berufung auf eine eindeutig unwirksame AGB-Klausel. Einem Unternehmen könne nicht verwehrt werden, im Rahmen der Rechtsdurchsetzung oder -verteidigung eine bestimmte Rechtsansicht zu vertreten. Die von der Klägerin beanstandete Formulierung der Beklagten, der Vertrag könne unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten gekündigt werden, stelle eine dem Beweis nicht zugängliche Rechtsauffassung dar. Ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Bankkunde könne dieser Formulierung nur entnehmen, dass die Beklagte den Vertrag für kündbar halte. Nicht erforderlich sei, in die Formulierung zusätzlich eine Einschränkung wie etwa „nach unserer Rechtsauffassung“ aufzunehmen.

II. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung (§ 8 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG; § 2 UKlaG) nicht bestehen. Damit sind auch der die Beseitigung vorbereitende Auskunftsanspruch, der (Folgen-)Beseitigungsanspruch und der Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten unbegründet.

1. Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsantrag ist nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 21. September 2017 – I ZR 53/16, GRUR 2018, 320 Rn. 16 = WRP 2018, 328 – Festzins Plus).

Mit dem auf die Versendung von Berichtigungsschreiben gerichteten Antrag sowie dem dieses Schreiben vorbereitenden Auskunftsantrag macht die Klägerin einen auf die Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands gerichteten Beseitigungsanspruch geltend. Diese Ansprüche setzen gleichfalls voraus, dass eine bereits in der Vergangenheit eingetretene Beeinträchtigung noch fortdauert (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 – I ZR 184/15, GRUR 2018, 423 Rn. 25 = WRP 2018, 436 – Klauselersetzung). Wie beim Unterlassungsanspruch erfordert die Begründetheit dieser Anträge, dass die beanstandete Beeinträchtigung im Zeitpunkt ihres Eintritts rechtswidrig war und ihre Folgen zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz andauern.

Demgegenüber ist für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten das zum Zeitpunkt der Abmahnung geltende Recht maßgeblich (BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 – I ZR 119/13, GRUR 2015, 393 Rn. 13 = WRP 2015, 450 – Der neue SLK; Urteil vom 28. Januar 2016 – I ZR 40/14, GRUR 2016, 803 Rn. 14 = WRP 2016, 1135 – Armbanduhr).

Nach der Versendung der von der Klägerin beanstandeten Kündigungsschreiben im Oktober und November 2015 ist das im Streitfall maßgebliche Recht mit Wirkung ab dem 10. Dezember 2015 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (BGBl. I 2158) novelliert worden. Durch die dabei erfolgte Einfügung der dem Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken entsprechenden Relevanzklausel in § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG hat sich die Rechtslage nicht geändert (vgl. BGH, GRUR 2018, 320 Rn. 16 – Festzins Plus).

2. Die Klägerin ist klagebefugt und berechtigt, die im Streit stehenden Ansprüche geltend zu machen.

a) Ihr stehen als qualifizierter Einrichtung im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG die Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung aus § 8 Abs. 1 UWG gegen denjenigen zu, der eine nach §§ 3, 5 Abs. 1 UWG unlautere und damit unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt. Entsprechendes gilt für den einen Beseitigungsanspruch vorbereitenden Auskunftsanspruch aus § 242 BGB. Ferner kann die Klägerin nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG den Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen verlangen, soweit die Abmahnung berechtigt war.

b) Als qualifizierter Einrichtung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG stehen der Klägerin auch die in § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung gegen denjenigen zu, der in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze). Entsprechendes gilt für den einen Beseitigungsanspruch vorbereitenden Auskunftsanspruch aus § 242 BGB. Ferner kann die Klägerin nach § 5 UKlaG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 UWG den Ersatz der für ihre Abmahnung erforderlichen Aufwendungen verlangen, soweit diese Abmahnung berechtigt war.

3. Der von der Klägerin beanstandete Inhalt des Kündigungsschreibens verstößt jedoch nicht gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG.

a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben (Fall 1) oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über – nachfolgend aufgezählte – Umstände enthält (Fall 2). Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers enthält.

b) Die Kündigungsschreiben der Beklagten sind geschäftliche Handlungen im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens – auch nach einem Geschäftsabschluss -, das mit der Durchführung eines Vertrags über Dienstleistungen objektiv zusammenhängt, wobei als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen gelten.

aa) Das Merkmal des objektiven Zusammenhangs ist funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung auf die Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer gerichtet ist. Eine geschäftliche Handlung kann auch in einem Verhalten liegen, das sich auf die geschäftliche Entscheidung von Verbrauchern im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2013 – I ZR 190/11, GRUR 2013, 945 Rn. 17 f., 26 = WRP 2013, 1183 – Standardisierte Mandatsbearbeitung).

bb) Danach liegt der erforderliche objektive Zusammenhang vor. Die von der Beklagten im eigenen Geschäftsinteresse vorgenommene Kündigung der mit Verbrauchern abgeschlossener Prämien-Sparverträge hängt mit der weiteren Durchführung dieser Verträge objektiv zusammen. Die Frage, ob der Verbraucher eine Kündigung hinnimmt oder ihr entgegentritt, ist eine geschäftliche Entscheidung.

c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich bei den beanstandeten Aussagen in den Kündigungsschreiben um Angaben im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG.

aa) Die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG umfasst – wie die ihr zugrundeliegende Regelung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG – zwei Fälle irreführender geschäftlicher Handlungen. Der erste Fall betrifft objektiv unrichtige Angaben, wobei es sich um einen völlig offenen Tatbestand handelt; der zweite Fall stellt auf die Eignung zur Täuschung des Verbrauchers ab und enthält einen Katalog von Umständen, über die zur Täuschung geeignete Angaben gemacht werden können, mit der Folge, dass eine irreführende Handlung vorliegt (BGH, Urteil vom 19. April 2018 – I ZR 244/16, GRUR 2018, 950 Rn. 41 = WRP 2018, 1069 – Namensangabe; vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 5 Rn. 1.54 ff.).

Der Streitfall betrifft eine geschäftliche Handlung, die sich einem der in § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG aufgeführten Bezugspunkte einer Irreführung zuordnen lässt, nämlich den in § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG genannten Rechten des Verbrauchers. Der Begriff der Rechte des Verbrauchers hat eine weite Bedeutung. Er umfasst sämtliche Rechte des Verbrauchers einschließlich der Voraussetzungen ihrer Ausübung sowie der Gestaltungs- und Kündigungsrechte (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 5 UWG Rn. 8.4). Erfasst werden nicht nur Angaben über die Existenz bestimmter Rechte, sondern auch über deren Inhalt, Umfang und Dauer sowie etwaige Voraussetzungen für die Geltendmachung (Weidert in Harte/Henning, UWG, 4. Aufl., § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 Rn. 15). Die Aussagen in den Kündigungsschreiben zu einer dreimonatigen Kündigungsfrist sowie zu einer darauf gestützten Kündigung der Sparverträge durch die Beklagte betreffen danach das Recht des Verbrauchers auf Fortsetzung und Erfüllung des jeweiligen Prämiensparvertrags.

bb) Die Revision macht zutreffend geltend, dass zu den zur Täuschung geeigneten Angaben im Sinne von § 5Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG nicht nur Tatsachenbehauptungen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Meinungsäußerungen zählen können. Das ergibt sich aus der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG.

(1) § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG dient der Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG. Danach gilt eine Geschäftspraxis als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist oder in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation, selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf einen oder mehrere der nachstehend aufgeführten Punkte täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist. Erforderlich ist in allen Fällen weiterhin, dass der Durchschnittsverbraucher tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wird, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG erfasst somit als irreführende Geschäftspraxis generell unwahre Angaben, darüber hinaus in den Fällen der Buchstaben a bis g aber auch alle Geschäftspraktiken, die in irgendeiner Weise zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignet sind. Dabei erfordern beide Tatbestandsvarianten – entsprechend der nationalen Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG – noch die tatsächliche oder voraussichtliche Veranlassung zu einer ansonsten nicht getroffenen geschäftlichen Entscheidung. Der Einschub „selbst mit sachlich richtigen Angaben“ in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG stellt klar, dass im zweiten Fall eine Irreführung sogar durch wahre Angaben erfolgen kann (vgl. Peifer/Obergfell in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 5 Rn. 195a; Stillner, WRP 2015, 438, 441; Becker, WRP 2015, 139, 140). Danach kann der zweite Fall grundsätzlich auch Angaben erfassen, die wie Meinungsäußerungen – zwar nicht wahr oder unwahr sein können, gleichwohl aber zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignet sind.

(2) Zu berücksichtigen ist ferner, dass mit dem Begriff „Angabe“ in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG jede „Information“ gemeint ist, wie sich etwa aus der englischen, französischen, italienischen, spanischen und niederländischen Fassung der Richtlinie ergibt. Damit werden alle täuschenden oder zur Täuschung geeigneten Geschäftshandlungen mit Informationsgehalt vom Tatbestand des Irreführungsverbots erfasst.

(3) Für dieses weite Verständnis spricht außerdem der Schutzzweck des Irreführungsverbots. Die Regelung soll jede Handlung eines Unternehmers erfassen, die geeignet ist, den Verbraucher in einer für seine geschäftlichen Entscheidungen relevanten Weise über seine Rechte zu täuschen. Darunter können grundsätzlich auch Äußerungen über die Rechtslage fallen.

d) Aussagen über die Rechtslage werden allerdings nur in bestimmten Fällen von § 5 Abs. 1 UWG erfasst. Dabei ist entscheidend, wie der Verbraucher die Äußerung des Unternehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Art und Weise der Äußerung auffasst (vgl. Peifer/ Obergfell in Fezer/Büscher/Obergfell aaO § 5 Rn. 425a).

aa) Ist für die betroffenen Verkehrskreise erkennbar, dass es sich um eine im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geäußerte Rechtsansicht handelt, fehlt dieser Äußerung die zur Erfüllung des Tatbestands der Irreführung erforderliche Eignung zur Täuschung. Das folgt aus der Überlegung, dass es dem Unternehmer bei der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung unbenommen bleiben muss, eine bestimmte Rechtsansicht zu vertreten. Vertritt ein Unternehmen im Rahmen der Rechtsdurchsetzung oder -verteidigung eine bestimmte Rechtsansicht, so handelt es sich um eine Meinungsäußerung, die deshalb grundsätzlich selbst dann nicht wettbewerbswidrig ist, wenn sie sich als unrichtig erweist (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2007 – I ZR 19/05, GRUR 2007, 978 Rn. 30 = WRP 2007, 1334 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer; vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 5 Rn. 1.18). Ob diese Rechtsansicht richtig ist, kann nicht im Wettbewerbsprozess, sondern muss in dem Rechtsverhältnis geprüft und entschieden werden, auf das sich diese Rechtsansicht bezieht (KG, Urteil vom 27. März 2013 – 5 U 112/11, juris Rn. 97).

bb) Dagegen erfasst § 5 Abs. 1 UWG Äußerungen, in denen der Unternehmer gegenüber Verbrauchern eine eindeutige Rechtslage behauptet, die tatsächlich nicht besteht, sofern der angesprochene Kunde die Aussage nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung versteht (KG, Urteil vom 27. März 2013 – 5 U 112/11, juris Rn. 101; Peifer/Obergfell in Fezer/Büscher/Obergfell aaO § 5 Rn. 425a; Köhler, WRP 2009, 898, 907; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 – I ZR 113/16, GRUR 2017, 1144 Rn. 16 und 19 = WRP 2018, 69 – Reisewerte). Ebenso ist eine objektiv falsche rechtliche Auskunft eines Unternehmers, die er auf eine ausdrückliche Nachfrage des Verbrauchers erteilt, zur Irreführung und Beeinflussung des Verbrauchers geeignet, weil sie ihn daran hindert, eine Entscheidung in voller Kenntnis der Sachlage zu treffen (vgl. EuGH, Urteil vom 16. April 2015 – C-388/13, GRUR 2015, 600 Rn. 40 = WRP 2015, 698 – UPC). Auch in dieser Situation versteht der angesprochene Kunde die Aussage nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung.

e) Nach diesen Grundsätzen werden die beanstandeten Äußerungen der Beklagten in den Kündigungsschreiben nicht von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG erfasst.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Klägerin beanstandete Formulierung der Beklagten, dass eine Laufzeit nicht vereinbart worden und der Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündbar sei, stelle eine Rechtsauffassung dar. Es werde nicht behauptet, dass diese Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung entspreche oder einhellige Meinung sei. Ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Bankkunde könne der Formulierung nur entnehmen, dass die Beklagte den Vertrag für kündbar halte. Hierfür sei nicht erforderlich, dass in die Formulierung zusätzlich eine Einschränkung wie „nach unserer Rechtsauffassung“ aufgenommen werde. Diese tatrichterlichen Feststellungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

Danach hatten die Adressaten der Kündigungsschreiben keinen Anlass anzunehmen, die Aussagen „bei den bestehenden Verträgen handelt es sich um Einlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist“ sowie „Wir kündigen deshalb den mit Ihnen bestehenden Sparvertrag … unter Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist …“ entsprächen einer gesicherten Rechtslage. Den beanstandeten Kündigungsschreiben fehlte infolgedessen die für den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG erforderliche Eignung zur Täuschung des Verbrauchers.

4. Die Klägerin kann ihre Ansprüche auch nicht auf § 2 UKlaG stützen.

a) Bei den Bestimmungen der §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG handelt es sich zwar um Verbraucherschutzgesetze im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 2 UKlaG Rn. 32). Das ergibt eine richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs Verbraucherschutzgesetz. Nach Art. 1 Abs. 2 der am 29. Dezember 2009 in Kraft getretenen (kodifizierten) Unterlassungsklagenrichtlinie 2009/22/EG ist ein Verstoß im Sinne dieser Richtlinie „jede Handlung, die den in Anhang I aufgeführten Richtlinien in der in die innerstaatliche Rechtsordnung der Mitgliedstaaten umgesetzten Form zuwiderläuft und die in Absatz 1 genannten Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt“. Zu diesen Richtlinien gehört nach Anhang I Nr.

11 Unterlassungsklagenrichtlinie auch die Richtlinie 2005/29/EG. Daraus folgt, dass die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, die – wie die Vorschriften der §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG – der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG dienen, als Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG anzusehen sind.

b) Es fehlt aber – wie oben Rn. 17 ff. ausgeführt – an einem Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 7 UWG.

III. Danach ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Koch Schaffert Kirchhoff Löffler Schwonke Vorinstanzen:

LG Dessau-Roßlau, Entscheidung vom 15.11.2016 – 4 O 106/16 –

OLG Naumburg, Entscheidung vom 27.04.2017 – 9 U 90/16 –

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Dennis Tölle

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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