Wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Zustimmung des Rechteinhabers verwendet, muss damit rechnen, deshalb von ihm haftbar gemacht zu werden. Wahrscheinlichste, aber nicht einzige Konsequenz ist dabei die Geltendmachung eines Anspruchs auf Unterlassung der Urheberrechtsverletzung, § 97 UrhG.
Normaler Zivilprozess als Regelfall der Rechtsdurchsetzung im Urheberrecht
Für die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs sieht das Gesetz als Regelfall einen „normalen“ Zivilprozess vor, § 104 UrhG. Der Verletzte hat dadurch die Möglichkeit, Klage auf Unterlassung der Rechtsverletzung vor einem Zivilgericht zu erheben. Dieser Weg kann allerdings mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden sein. Verfahrensdauern von mehreren Monaten bis Jahren sind gerade in Fällen komplexer Urheberrechtsverletzungen keine Seltenheit.
Wenn es schnell gehen muss: Das einstweilige Verfügungsverfahren im Urheberrecht
Es liegt auf der Hand, dass lange Verfahrensdauern den Interessen des Verletzten widersprechen. Diesem ist daran gelegen, die Rechtsverletzung so schnell wie möglich zu unterbinden, um weiteren finanziellen Schaden (und gegebenenfalls Reputationsschaden) abzuwenden.
Um dies zu ermöglichen, hat der Verletzte gemäß §§ 935, 940 ZPO die Möglichkeit, seinen Unterlassungsanspruch in einem sogenannten einstweiligen Verfügungsverfahren geltend zu machen. Liegen die Voraussetzungen vor, spricht das Gericht auf Antrag des Verletzten kurzfristig eine Verfügung aus. Der Verletzer wird dadurch verpflichtet, die vermeintliche Rechtsverletzung – etwa die Verwendung fremder Bilder oder Texte – ab sofort zu unterlassen.
Möglichkeit einer urheberrechtlichen Abmahnung, § 97a UrhG
Zunächst soll dem Verletzer die Möglichkeit gegeben werden, ein gerichtliches Verfahren abzuwenden. Dies geschieht im Regelfall durch eine Abmahnung des Verletzers und die Abgabe eine strafbewährte Unterlassungserklärung nach § 97a UrhG.
Zwingende Voraussetzung für ein einstweiliges Verfügungsverfahren ist eine solche Abmahnung aber nicht. Der Rechteinhaber kann sich auch dazu entscheiden, ohne vorherige Abmahnung eine gerichtliche Unterlassungsverfügung zu beantragen. In diesem Fall wird das Gericht den Verfügungsgegner vor Erlass der Verfügung anhören müssen. Gab es eine Abmahnung und wurde auf diese geantwortet, wird das Gericht häufig diese Antwort ausreichen lassen. In der Praxis gibt es im Einstweiligen Verfügungsverfahren daher nur selten mündlichen Verhandlungen. Auch das beschleunigt die Verfahren erheblich.
Glaubhaftmachung der Rechtsverletzung im Urheberrecht
Als erste Voraussetzung muss der Rechteinhaber dem Gericht darlegen, dass eine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Dafür müssen dem Gericht die Tatsachen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, „glaubhaft“ gemacht werden. Dies gelingt nur, wenn der Richter überzeugt wird, dass die Darlegung des Antragsstellers „überwiegend wahrscheinlich“ ist. Dafür kann sich der Rechteinhaber gemäß § 294 ZPO aller zugelassenen Beweismittel bedienen, etwa die Vorlage entsprechender Dokumente. Zusätzlich sind auch eidesstattliche Versicherungen ein mögliches Mittel zur Glaubhaftmachung.
Glaubhaftmachung der Dringlichkeit der einstweilige Verfügung im Urheberrecht
Der Antragsteller muss aber darüber hinaus auch glaubhaft machen, dass seine Sache dringlich ist. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls – eine einheitliche Formel existiert nicht.
In der Rechtsprechung hat sich aber durchgesetzt, dass die Dringlichkeit der Sache jedenfalls dann entfällt, wenn der Verletzte nach dem Bekanntwerden der Urheberrechtsverletzung zu lange wartet, bevor er seinen Antrag auf einstweilige Verfügung stellt. Die dafür erforderliche Zeitspanne wird von den Gerichten unterschiedlich beurteilt. Sicher ist aber, dass eine Dauer von vier Wochen ab Kenntnis der Rechtsverletzung möglichst nicht überschritten werden sollte.
Zwar gestehen einzelne Gerichte dem Urheber auch sechs Wochen „Bedenkzeit“ zu. Sofern ein Rechteinhaber aber erwägt, eine einstweilige Verfügung zu beantragen, sollte es trotzdem schnell gehen. Ansonsten bleibt nur der Weg über ein „normales“ Zivilverfahren.
Folgen einer einstweiligen Verfügung im Urheberrecht
Gelingt die Glaubhaftmachung der Urheberrechtsverletzung und der Dringlichkeit, erlässt das Gericht eine einstweilige Verfügung. Wie bereits erläutert, wird der Verletzer dadurch typischerweise verpflichtet, die verletzende Handlung (etwa die Vervielfältigung fremder Texte) zu unterlassen. Handelt der Antragsgegner diesen Auflagen zuwider, kann das Gericht zur Erzwingung der einstweiligen Verfügung ein Ordnungsgeld oder sogar Ordnungshaft verhängen.
Diese Folgen einer einstweiligen Verfügung, gepaart mit der kurzen Dauer und dem relativ geringen Umfang des Verfahrens, garantieren dem Rechteinhaber eine kosten- und zeiteffiziente Durchsetzung seiner Interessen.
Reaktionsmöglichkeiten auf eine einstweilige Verfügung im Urheberrecht
Allerdings steht der Antragsgegner nicht schutzlos da, wenn gegen ihn eine einstweilige Verfügung ergeht. Ihm stehen unter anderem folgende Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung:
- Besteht der Verdacht, dass demnächst eine einstweilige Verfügung beantragt werden könnte (z. B. aufgrund einer Abmahnung), besteht nach § 945a ZPO die Möglichkeit, eine sogenannte Schutzschrift einzureichen. In diesem Schreiben kann dem Gericht vorsorglich erklärt werden, warum ein möglicher Antrag abgelehnt werden soll.
- Ist bereits eine einstweilige Verfügung ergangen, kann der Antragsgegner gemäß §§ 936, 924 ZPO Widerspruch einlegen. Das Gericht lädt die Beteiligten dann zu einer mündlichen Verhandlungen. In dieser hat der Antragsgegner die Möglichkeit, sich zu verteidigen. Hält das Gericht diese Verteidigung für begründet, hebt es die Verfügung auf.
- Der Antragsgegner kann auch nach § 926 ZPO ein „Hauptsacheverfahren“ zu erzwingen. Das Gericht setzt dem Rechteinhaber in diesem Fall eine Frist zur „regulären“ Klageerhebung. Der Verfügung bleibt aber bis dahin wirksam.
- Schließlich kann der Antragsgegner – sofern er die einstweilige Verfügung für gerechtfertigt hält – eine sogenannte Abschlusserklärung abgeben. In einem solchen Fall erkennt er die einstweilige Verfügung als eine endgültige Regelung des Sachverhalts an. Ein gesondertes Hauptverfahren ist dann nicht mehr erforderlich.
Welche dieser verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten am sinnvollsten ist, hängt vom Einzelfall ab. Da jede mit unterschiedlichen Folgen verbunden ist und mitunter auch weitere Überlegungen eine Rolle spielen können, sollte dies sorgfältig abgewogen werden, um auf eine einstweilige Verfügung im Urheberrecht angemessen reagieren zu können.
Die einstweilige Verfügung im Urheberrecht zur Durchsetzung anderer Ansprüche
Die einstweilige Verfügung im Urheberrecht dient hauptsächlich zur Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen aus § 97 UrhG. Daneben besteht aber auch die Möglichkeit, Ansprüche auf Auskunft und auf Vorlage und Besichtigung aus §§ 101, 101a UrhG in einem einstweiligen Verfügungsverfahren durchzusetzen. Dies geschieht in der Praxis jedoch selten – Hauptanwendungsbereich ist der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch.