Im Kern geht es um eine Frage, die für viele Unternehmen überraschend praktisch ist: Kann eine Marke ihren Schutz verlieren, wenn der Inhaber sie im Markt nicht mehr sichtbar nutzt – und ein Dritter genau diese Lücke ausnutzen will? Genau das versucht ein Startup namens Operation Bluebird im Streit um die Zeichen „Twitter“ und „Tweet“.
Operation Bluebird will beim USPTO erreichen, dass X Corp. die Marken „Twitter“ und „Tweet“ verliert, weil sie angeblich aufgegeben wurden („abandonment“) und nicht mehr benutzt werden. Parallel hat Operation Bluebird selbst eine Markenanmeldung für „Twitter“ eingereicht und will ein eigenes Projekt unter „Twitter.new“ aufbauen. Ob das gelingt, hängt an der Frage von Nichtbenutzung bzw. fehlender Rückkehrabsicht – und daran, ob ein „residual goodwill“ (fortbestehende Zuordnung in der Öffentlichkeit) X Corp. schützt.
Problem: Kann man „Twitter“ verlieren, wenn man nur noch „X“ sein will?
Operation Bluebird ist ein Startup, das das „alte Twitter“ in einer neuen Form wiederbeleben will. Dafür hat es beim US Patent and Trademark Office (USPTO) eine Petition eingereicht, die auf den Entzug bzw. die Löschung der Markenrechte von X Corp. an „Twitter“ und „Tweet“ zielt.
Parallel dazu verfolgt Operation Bluebird ein eigenes Interesse: Das Startup hat selbst eine Markenanmeldung für „Twitter“ eingereicht und plant eine Plattform Twitter.new, die sich für frühere Nutzer „familiar“ anfühlen soll.
Für Unternehmen ist das nicht nur eine Tech-Story, sondern eine Marken-Story: Wenn ein bekannter Name im Markt nicht mehr aktiv verwendet wird, können Dritte versuchen, diesen Namen rechtlich „zu besetzen“ – und aus dem früheren Markenwert ein neues Angebot zu machen.
Was Operation Bluebird konkret vorträgt
Operation Bluebird trägt vor, X Corp. habe die Marken „Twitter“ und „Tweet“ rechtlich aufgegeben („legal abandoned“) und habe keine Absicht, die Nutzung wieder aufzunehmen.
Zusätzlich erhebt Operation Bluebird den Vorwurf, X Corp. begehe gegenüber dem USPTO „fraud“, indem falsche Erklärungen und Angaben eingereicht würden. Ob und wie dieser Vorwurf trägt, ist eine eigene Streitachse – zeigt aber, wie schnell es in Markensachen nicht nur um Nutzung, sondern auch um die Kommunikation gegenüber dem Amt geht.
Operation Bluebird stützt sich im Wesentlichen auf den Sachverhalt, dass nach der Übernahme 2022 Twitter in „X“ umbenannt wurde. Das Bird-Logo wurde im Juli 2023 ersetzt und der Traffic von Twitter.com wurde später auf X.com umgeleitet. Außerdem wird ein Post von Elon Musk zitiert, wonach man sich „bald“ von der Twitter-Brand verabschiede.
Wie Operation Bluebird „Twitter“ nutzen will
Operation Bluebird wird von Michael Peroff und Stephen Coates geführt. Coates war zuvor bei Twitter (2014–2016) u. a. im Bereich Marken/Brand Protection tätig.
Operation Bluebird beschreibt sein Vorhaben als eine Plattform, die sich wie „legacy Twitter“ anfühlen soll – ergänzt um neue Funktionen, die eine sicherere Nutzung ermöglichen und mehr Kontrolle darüber geben sollen, welche Inhalte Nutzer sehen. In einem LinkedIn-Post wird zudem der Einsatz von KI für Fact-Checking und Moderation angedeutet.
Praxisfolgen: Warum der Fall für Markeninhaber ein Warnsignal ist
Ein Rebranding ist oft eine strategische Entscheidung. Der Fall zeigt aber die Nebenwirkung: Wer den alten Namen und das alte Zeichen sichtbar zurückdrängt, kann Angriffsargumente liefern, die auf ein „Abandonment“ zielen.
Gleichzeitig ist „die Leute nennen es trotzdem so“ kein Automatismus. Die Rechtsprofessorin Alexandra Roberts ordnet die Situation so ein, dass Operation Bluebird ein solides Argument habe, aber zu berücksichtigen sei, dass viele Nutzer X weiterhin „Twitter“ nennen und Beiträge „tweets“. Sie verweist außerdem auf ein Beispiel rund um „Aunt Jemima“, bei dem eine neue Registrierung wegen Verwechslungsgefahr abgelehnt wurde, obwohl der frühere Inhaber die Einstellung des Zeichens angekündigt hatte.
Es gibt aber auch skeptische Stimmen: Der IP-Anwalt Douglas Masters bezweifelt, dass Operation Bluebird durchkommt, weil er es für unwahrscheinlich hält, dass X trotz Wechsel zu „X“ wirklich die Absicht hatte, sämtliche kommerzielle Nutzung und Rechte am Wort „Twitter“ aufzugeben.
Und selbst wenn die Sache inhaltlich „klar“ wirkt: Zeitlich ist sie es nicht. X Corp. hat bis Februar 2026 Zeit zu reagieren; Masters spricht davon, dass der „trial process“ allein zwei bis drei Jahre dauern könne – und danach noch weitere Jahre bis zur Entscheidung.