Dem Arbeitgeber ist es grundsätzlich selbst überlassen, in welcher Form ein Arbeitsvertrag zustande kommen soll. Selbst der Vertragsschluss per Handschlag kann als Abschluss eines Arbeitsvertrages Wirksamkeit entfalten.
Jedoch stellt das Nachweisgesetz (NachwG) den Unternehmer vor eine Hürde. Demnach sind Arbeitgeber nach momentaner Rechtslage verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen. Voraussetzung für die Erfüllung der Verpflichtungen des Nachweisgesetzes ist folglich die Einhaltung der Schriftform gemäß § 126 Abs. 1 BGB, also eine eigenhändige Unterzeichnung des Nachweises durch den Arbeitgeber. In der heutigen digitalen und schnelllebigen Arbeitswelt mit Home-Office oder global agierenden Mitarbeitern wird durch diesen faktischen Schriftformzwang ein bürokratischer Aufwand für Unternehmen geschaffen.
Ziel des Nachweisgesetzes ist Information des Arbeitnehmers über wesentliche Vertragsbestandteile
Ein Arbeitsvertrag kann grundsätzlich auch ohne schriftliche Fixierung der wesentlichen Vertragsbestandteile, wie z. B. der Höhe des Entgeltes, abgeschlossen werden. Folge dessen sind Informations- und Transparenzlücken, die der Arbeitnehmer bisweilen hinnehmen musste. Das Nachweisgesetz verfolgt vornehmlich das Ziel, größere Rechtssicherheit im Arbeitsverhältnis zu schaffen – insbesondere für Arbeitnehmer ohne schriftlichen Arbeitsvertrag. In der digitalen Arbeitswelt wird zunehmend auch die Idee eines digitalen Arbeitsvertrags diskutiert, der sowohl Transparenz als auch Flexibilität bieten könnte.
Wie so häufig hat das Nachweisgesetz seinen Ursprung in einer EU-Richtlinie. Es entstand im Wege der Umsetzung der inzwischen überholten Nachweisrichtlinie (RL 91/533/EWG des Rates v. 14. Oktober 1991). Die heutige Fassung orientiert sich hingegen an den Vorgaben der sog. Arbeitsbedingungenrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union).
Zunächst galt das NachwG als unbrauchbar, um die rechtlichen Belange der Arbeitnehmer durchzusetzen, da Verstöße nicht sanktionierbar waren. Mit der Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie wurden jedoch bestimmte Verstöße als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeiten definiert. Damit bekam das NachwG seine gewollte Schlagkraft zur Durchsetzung der Interessen der Arbeitnehmer, und auch digitale Arbeitsverträge könnten künftig in dieses Konzept passen, wenn die Nachweisform flexibler gestaltet wird.
Wesentliche Normen und der digitale Arbeitsvertrag
§ 2 NachwG ordnet die Schriftlichkeit des Nachweises an. Andere Formen, wie die elektronische Form (§ 126a BGB), sind aktuell ausgeschlossen (§ 2 Abs. 1 S. 3 NachwG) und erfüllen nicht die Formerfordernisse, was zur Unwirksamkeit führt. Dieser Formzwang erschwert gegenwärtig die Umsetzung eines vollständig digitalen Arbeitsvertrags, da Unternehmen und Arbeitnehmer gezwungen sind, physische Dokumente zu unterzeichnen und aufzubewahren.
Folge eines Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis ist eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 NachwG handelt ordnungswidrig, wer den Nachweis nicht in der vorgeschriebenen Weise erbringt, d. h. unter Missachtung der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Schriftform.
Nachweis in Textform soll zukünftig dem Anspruch genügen
„Bürokratieabbau ist das Gebot der Stunde“, schrieb Bundesjustizminister Marco Buschmann am 21. März 2024 auf X (ehemals Twitter). Nach diesem Motto plant die Ampel-Koalition eine Entlastung von Unternehmen im Bereich der Arbeitsverträge und will die Digitalisierung der zukünftigen Arbeitswelt voranbringen.
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) sieht erste Schritte zur Reduzierung der Bürokratie vor und ermöglicht Nachweise teilweise in elektronischer Form (§ 126a BGB), also unter Verwendung elektronisch qualifizierter Signaturen (qeS). Diese Entwicklung öffnet die Tür für den digitalen Arbeitsvertrag, bei dem Vertragsbestandteile per E-Mail oder über digitale Plattformen dokumentiert und versandt werden können.
Die geplanten Neuerungen im Nachweisgesetz sollen die Einführung der Textform (§ 126b BGB) anstelle der Schriftform vorsehen, wodurch künftig ein Arbeitsvertrag als digitale Erklärung ausreichen würde, wenn er als lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger vorliegt und die Person des erklärenden Arbeitgebers benannt wird. Ein solcher digitaler Arbeitsvertrag könnte Arbeitnehmern und Arbeitgebern eine deutliche Flexibilisierung bringen und zugleich den Verwaltungsaufwand senken.
Bundesjustizminister Buschmann erklärte hierzu, dass der Nachweis in Zukunft auch in Textform erbracht werden könnte, sofern das Dokument für die Arbeitnehmer zugänglich, speicherbar und ausdruckbar ist und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- und Empfangsnachweis erhält.
Keine ausnahmslose Befreiung von der Schriftform auf Verlangen
Wie bei vielen Grundsätzen gibt es Ausnahmen. Der Arbeitgeber muss weiterhin einen schriftlichen Nachweis bereitstellen, wenn dies vom Arbeitnehmer ausdrücklich verlangt wird. Diese Ausnahme ist vor allem für sensible Arbeitsbereiche relevant, in denen der digitale Arbeitsvertrag noch nicht den gleichen rechtlichen Schutz wie ein schriftliches Dokument bietet.
Ein weiteres Problem, sowohl technisch als auch rechtlich, stellt der Empfangsnachweis dar. Nach aktueller Rechtsprechung ist eine E-Mail dann zugegangen, wenn eine Lesebestätigung des Empfängers vorliegt. Das Fehlen einer Unzustellbarkeitsbenachrichtigung genügt allein nicht für einen rechtssicheren Nachweis der Zustellung. Sollte dieser Nachweis für digitale Arbeitsverträge verpflichtend werden, müssen Unternehmen ihre Prozesse und IT-Infrastruktur möglicherweise anpassen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.
Herausforderungen und Ausblick für den digitalen Arbeitsvertrag
Auch wenn das BEG IV viele Neuerungen für die Digitalisierung mit sich bringt, bleiben Herausforderungen bestehen. So sieht das Gesetz aktuell keine Änderungen in Bezug auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen vor, die weiterhin der Schriftform gemäß § 623 BGB unterliegen. Ein Verstoß gegen dieses Erfordernis würde die Beendigung formnichtig und damit unwirksam machen.
Ebenso ist das Befristungserfordernis gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG weiterhin zwingend schriftlich zu erfüllen, was digitale Arbeitsverträge in ihrer Einsatzmöglichkeit limitiert. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die automatische Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze als Befristung gilt, die nicht per E-Mail vereinbart werden kann.
Schließlich soll der Regierungsentwurf zum BEG IV Arbeitszeugnisse gemäß § 109 GewO mit Zustimmung des Mitarbeitenden in elektronischer Form zulassen. Dennoch bleibt die Einholung dieser Zustimmung nachweisbar erforderlich, was den bürokratischen Aufwand kaum senken dürfte.
Die Einführung der Textform ins NachwG ist ein bedeutender Schritt zur Reduzierung der Bürokratie und zur Förderung digitaler Prozesse. Sollte der digitale Arbeitsvertrag künftig tatsächlich möglich sein, könnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Deutschland von einer deutlich effizienteren Gestaltung der Arbeitsverhältnisse profitieren. Bis zur endgültigen Gesetzgebung bleibt jedoch offen, wie umfassend die gesetzlichen Änderungen den Übergang zu digitalen Arbeitsverträgen wirklich erleichtern werden.