Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 23. Oktober 2025 ein Urteil gefällt, das für viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer relevant ist: Für den Nachweis einer möglichen geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung bei der Bezahlung reicht künftig eine einzige Vergleichsperson. Damit stärkt das Gericht die Rechte von Arbeitnehmerinnen und konkretisiert den sogenannten „Paarvergleich“ im Rahmen des Equal-Pay-Grundsatzes.
Der Fall: Führungskraft bei Daimler klagt auf Nachvergütung
Eine Arbeitnehmerin bei Daimler stellte fest, dass sie trotz gleicher Position und Verantwortung weniger verdiente als ein männlicher Kollege auf derselben Führungsebene. Sie verlangte Nachzahlung – und bekam vom BAG Rückenwind. Entscheidend: Es reicht, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin eine konkrete Vergleichsperson benennt, die bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit mehr verdient. Dann muss der Arbeitgeber beweisen, dass die unterschiedliche Bezahlung objektiv gerechtfertigt ist.
Rechtsgrundlage: Europarecht und Entgelttransparenzgesetz
Der Anspruch auf gleiche Bezahlung beruht auf Artikel 157 AEUV und wird in Deutschland durch das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) umgesetzt. Dieses verpflichtet Unternehmen zur Gleichbehandlung und – ab 2026 – zu erweiterten Berichtspflichten nach der neuen EU-Entgelttransparenzrichtlinie.
Neu ist dabei: Schon Unternehmen ab 100 Beschäftigten müssen künftig Medianwerte zu Gehältern offenlegen. Für kleinere Betriebe bleibt es bislang bei freiwilliger Transparenz.
Was gilt als Entgelt?
Unter den Begriff fallen alle geldwerten Leistungen, die ein Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeit erhält: Gehalt, Boni, Prämien, Sachleistungen wie Dienstwagen oder Jobtickets. Arbeitgeber müssen also auch diese Zusatzleistungen gleichwertig behandeln.
Was Arbeitgeber jetzt beachten sollten
Das BAG-Urteil erhöht den Druck auf Unternehmen, Gehaltsstrukturen nachvollziehbar zu dokumentieren. Wer Vergütungsunterschiede beibehalten will, muss diese sachlich begründen – etwa durch Qualifikation, Verantwortung oder messbare Leistung.
Argumente wie „bessere Verhandlung“ reichen nicht mehr aus. Wer seine Entscheidungen dokumentiert, ist jedoch weiterhin auf der sicheren Seite: Rund 70 % der Equal-Pay-Klagen enden zugunsten des Arbeitgebers.
Was Arbeitnehmer wissen sollten
Auch wenn kein genereller Auskunftsanspruch auf konkrete Gehälter besteht, können Arbeitnehmer künftig leichter Anhaltspunkte für eine Ungleichbehandlung liefern. Mit dem BAG-Urteil genügt eine Vergleichsperson – die Beweislast liegt dann beim Arbeitgeber. Zudem kann parallel eine Entschädigung nach § 15 AGG verlangt werden.
Fazit
Das Urteil stärkt die Rechte von Beschäftigten und zwingt Arbeitgeber, Transparenz und Gleichbehandlung aktiv umzusetzen. Eine Klagewelle ist nicht zu erwarten – wohl aber eine wachsende Sensibilität für faire Vergütung.
Unternehmen, die ihre Gehaltsentscheidungen sachlich dokumentieren, haben auch künftig nichts zu befürchten.
Shownotes
- Anspruch auf Entgeltdifferenz wegen Geschlechtsdiskriminierung – Paarvergleich – Das Bundesarbeitsgericht
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Oktober 2024 – 2 Sa 14/24